Menschen in Notlagen können mit der Sozialhilfe nicht mehr abgesichert werden, warnt Norbert Krammer von VertretungsNetz auf einer Pressekonferenz der Armutskonferenz.
Für derzeit ca. 6.000 Menschen hat ein Gericht eine sogenannte „gerichtliche Erwachsenenvertretung“ bei VertretungsNetz bestellt. „Viele der von uns vertretenen Menschen sind aufgrund einer intellektuellen oder psychischen Beeinträchtigung nicht selbsterhaltungsfähig und auf Sozialhilfe angewiesen. Eine Kernaufgabe der Erwachsenenvertretung ist es, die vertretene Person bei der Absicherung des Lebensunterhalts zu unterstützen. Doch seit 2019 das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz in Kraft getreten ist, wird das immer schwieriger“, berichtet Norbert Krammer, Bereichsleiter Erwachsenenvertretung in Salzburg und Tirol, bei einer Pressekonferenz der Armutskonferenz am 1. Februar 2023.
Die Sozialhilfeleistung setzt sich in Österreich zusammen aus einer Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts und einem Betrag zur Abdeckung des Wohnbedarfs, also für Miet-, Betriebs- und Energiekosten. Doch die festgesetzten Höchstsätze sind viel zu knapp bemessen. So beträgt der Wohnanteil für alleinstehende Menschen in der Stadt Salzburg derzeit 660 Euro. Für eine kleine Wohnung zahlt man im österreichweiten Durchschnitt mittlerweile 588 Euro Miete inkl. Betriebskosten, im städtischen Ballungsraum noch deutlich mehr. Kosten für Heizung, Strom und Hausrat sind da noch gar nicht eingerechnet. Man merkt schnell: Das geht sich kaum aus.
Personen mit geringem Einkommen, die in geförderten Genossenschaftsbauten wohnen, können einen Wohnzuschuss (Wohnbeihilfe) beantragen. Im Sozialhilfegrundsatzgesetz ist jedoch festgelegt, dass diese Zahlung den Richtsatz der Sozialhilfe für das Wohnen kürzt. Die Sozialbehörden ziehen das Geld dann vom Wohnanteil der Sozialhilfe ab. „Das ist ein riesiges Problem, viele Betroffene verlieren dadurch bis zu mehrere hundert Euro monatlich“, weiß Krammer.
„Wir vertreten einen Waisenpensionsbezieher, dem auf diese Weise 147,62 Euro monatlich abgezogen werden. Nur sein Anspruch auf eine erhöhte Familienbeihilfe verhindert noch, dass er seine Wohnung verliert. Die Miete wäre mit dem monatlichen Einkommen sonst nicht mehr bezahlbar. Einem anderen Betroffenen aus Salzburg werden monatlich 182 Euro abgezogen. Weil er einmal einen Monat Wohnbeihilfe als Nachzahlung erhielt, wurden im Folgemonat 364 Euro weniger überwiesen“, berichtet Krammer aus der Praxis.
Schon bisher war es so, dass Betroffene Geld aus der Sozialhilfe, das eigentlich für den allgemeinen Lebensunterhalt gedacht ist, einsetzen mussten, um z.B. Energierechnungen zu bezahlen. Sie sparten dann vor allem beim Essen. Seit dem letzten Jahr steigen jedoch die Kosten für Heizung, Strom, Miete und Betriebskosten so stark an, dass es für Erwachsenenvertreter:innen immer schwieriger wird, den Lebensunterhalt der vertretenen Personen überhaupt abzusichern. Für einige Personen musste nun sogar schon die Heimhilfe abbestellt werden, weil die Unterstützung nicht mehr bezahlt werden kann – mit wohl bald dramatischen Folgen.
„Die Absicherung in Notlagen funktioniert nicht mehr. Diverse Einmalzahlungen als Tropfen auf den heißen Stein ändern nichts daran, dass das System überall kracht. Auffallend sichtbar wird das bei Menschen mit Behinderungen als besonders vulnerabler Gruppe. Eine grundlegende Reform ist dringend notwendig“, so Krammer. Darüber hinaus müssten soziale Rechte, wie etwa auf existenzielle Mindestversorgung, Pflege und Wohnen endlich Eingang in die Verfassung finden, damit ein würdevolles Leben für alle Menschen in Österreich möglich ist.