Tag der Menschen mit Behinderungen: VertretungsNetz kritisiert Einsparungen im Sozial- und Gesundheitsbereich.
„Wir sind entsetzt, wie angesichts klammer Budgets das soziale Netz demontiert wird. Für Menschen, die von Armut und Ausgrenzung betroffen sind, werden die undurchdachten Sparmaßnahmen schwerwiegende Folgen haben“, kritisiert Gerlinde Heim, Geschäftsführerin von VertretungsNetz.
Bereits vor 17 Jahren hat Österreich die UN-Behindertenrechtskonvention unterzeichnet. Der UN-Ausschuss kritisierte anlässlich der letzten Staatenprüfung Österreichs vor zwei Jahren, dass die Bundesländer zu wenig anbieten, um die Inklusion von Menschen mit Behinderungen voranzutreiben. Nun legt man vielerorts mit einem Kahlschlag im Sozial- und Pflegebereich auch noch den Rückwärtsgang ein.
Viele erfolgreiche Projekte und Initiativen im Gesundheits- und Sozialbereich werden aktuell gestrichen oder stark reduziert. „Zahlreiche Kooperationspartner berichten uns, dass ihre Förderungen überfallsartig gekürzt oder überhaupt eingestellt werden. Viele Träger stehen vor existenziellen Herausforderungen. Zentrale Hilfsangebote, die seit Jahrzehnten etabliert und erfolgreich sind, stehen vor dem Aus“, fasst Heim zusammen.
Menschen mit chronischen psychischen Erkrankungen – eine besonders stigmatisierte Personengruppe – verlieren die wenigen soziale Anlaufstellen, die es gibt. So wurde der Beratungsstelle „Hilfe für Angehörige psychisch Erkrankter“ (HPE) ein Viertel ihres Budgets gestrichen. Empfindliche Einbußen gibt es auch bei Arbeitsmarktprojekten für Suchterkrankte sowie für Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen. Auch im Pflegebereich wird gespart. Die Community-Nurse-Projekte werden größtenteils wieder eingestampft, obwohl ihr Erfolg in der Prävention unbestritten ist. Wie es mit den – ohnehin sehr schleppend verlaufenden – Pilotprojekten für persönliche Assistenz in den Bundesländern weitergeht, ist noch offen.
„Viele der geplanten Kürzungen nehmen Menschen das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben, fördern Armut, Abhängigkeit, Stigmatisierung und Ausgrenzung – und werden am Ende hohe Folgekosten verursachen. Wir appellieren an die Verantwortlichen, durchdacht zu handeln. Es bringt nichts, mit der Abrissbirne in jahrzehntelang etablierte Strukturen zu fahren, um kurzfristig ein wenig Geld zu lukrieren. Denn der Preis, den wir zahlen, wird am Ende viel höher sein, wenn die Unterstützungsangebote fehlen“, so Heim.
Dazu kommt, dass die meisten Länder aktuell ihre Sozialhilfegesetze verschärfen. Das trifft viele Menschen, die aufgrund einer psychischen bzw. chronischen Erkrankung nicht erwerbsfähig sind. Die verschlechterten Gesetze mit schwammig formulierten „Mitwirkungspflichten“ und überzogenen Sanktionen werden zu mehr Armut, Verschuldung und Wohnungslosigkeit führen. Wer aus der Sozialhilfe fällt, verliert in vielen Fällen auch die Krankenversicherung.
Sparen durch Bürokratieabbau ist hingegen nicht vorgesehen. „Wir vertreten viele Personen, die dauerhaft nicht erwerbsfähig sind, bestätigt durch mehrere Gutachten. Trotzdem stellen manche Sozialämter Bescheide nur für zwei Monate aus und verlangen monatlich Kontoauszüge und andere Belege, auch wenn sich an der Lebenssituation nichts ändert. Diese überschießende Kontrolle ist sinnlos und wird zu Recht als Schikane erlebt. Weil man die Menschen mit Bürokratie überfordert, braucht es außerdem immer mehr Erwachsenenvertretungen“, schildert Heim. Sie fordert Dauerbescheide zumindest für ein Jahr für jene Menschen, die dauerhaft nicht arbeiten können.
Armutsbekämpfung und Existenzsicherung müssen im Zentrum einer bundesweit einheitlichen Sozialhilfe stehen. Ebenso gilt es, Prävention auf allen Ebenen zum leitenden Prinzip zu machen. Heim dazu: „Wir müssen die Selbstbestimmung und Autonomie möglichst vieler Menschen so lange wie möglich erhalten. Dafür braucht es gezielte Unterstützung, die psychische und physische Gesundheit stärkt, Inklusion ermöglicht und Teilhabe fördert. So lassen sich nicht nur soziale Gräben schließen, sondern langfristig auch erhebliche Kosten vermeiden.“