VertretungsNetz fordert Nachbesserungen im Gesetzesentwurf.
Das Land Steiermark hat einen Entwurf für ein Pflege- und Betreuungsgesetz vorgelegt. „Grundsätzlich begrüßen wir das Gesetzesvorhaben, auf das wir lange gewartet haben“, sagt Robert Müller, bei VertretungsNetz Bereichsleiter Erwachsenenvertretung für die Steiermark. Derzeit sind Pflege- und Betreuungsleistungen in der Sozialhilfe – und dort vielfach unzureichend – geregelt. Es mangelt an Rechts- und Leistungssicherheit, trotz der enormen sozialen Bedeutung der Thematik Pflege und Betreuung.
„Die Grundlagen für die verschiedenen Leistungen und Ansprüche werden zwar im neuen Gesetz gebündelt, wir vermissen aber an vielen Stellen substantielle Verbesserungen für die Betroffenen. Was besonders schade ist: Einige schon gut entwickelte Konzepte für Menschen mit alterspsychiatrischen Erkrankungen werden im Gesetz nicht geregelt“, bedauert Müller die fehlenden Ambitionen. So gab es in den letzten Jahren etwa Pilotprojekte für mobile alterspsychiatrische Betreuung, Tagesbetreuung oder eigene betreute Wohnformen für Menschen mit demenziellen Erkrankungen.
Als äußerst positiv begrüßt VertretungsNetz die neue Leistung der Übergangspflege in § 10 des Gesetzesentwurfs. „Das schließt eine ganz wesentliche Versorgungslücke. Denn immer wieder erleben wir, dass ältere Menschen nach einem Krankenhausaufenthalt aufgrund des hohen Entlassungsdrucks in ein Pflegeheim übersiedeln müssen. In vielen Fällen wäre mit etwas mehr Überbrückungszeit in Form einer Übergangspflege eine selbstständige Lebensweise zuhause noch bzw. wieder möglich.“
Der für die Übergangspflege vorgesehene Zeitraum von 28 Tagen wird aus Sicht von Müller aber in vielen Fällen zu knapp bemessen sein. Er appelliert außerdem, Beitragsleistungen bei der Übergangspflege so zu gestalten, dass die Betroffenen ihren Hauptwohnsitz so lange erhalten können, bis sie wieder in der Lage sind, nach Hause zurückzukehren.
Finanzielle Beiträge der Angehörigen zu den Heimkosten waren viele Jahre ein sensibles Thema. Zum einen wurden Angehörigen von der Behörde Kostenbeiträge vorgeschrieben (Angehörigenregress), zum anderen waren die Betroffenen verpflichtet, ihre Ansprüche auf Unterhalt auch selbst bei Angehörigen geltend zu machen und für die Deckung der Heimkosten zu verwenden (Rechtsverfolgungspflicht). Zur finanziellen Entlastung der Angehörigen wurde der Regress 2018 abgeschafft und sogenannte „nicht titulierte“ (also bisher noch nicht bestehende) Unterhaltsansprüche waren von der Rechtsverfolgungspflicht ausgenommen.
Der Angehörigenregress bleibt auch im neuen Gesetz ausgeschlossen. „Die Ausnahme-Regelung bei der Rechtsverfolgungspflicht wird aber nicht in den neuen Entwurf übernommen“, gibt Müller zu bedenken. „Das heißt im Klartext, dass pflegebedürftige Personen bei einer Übersiedlung in ein Pflegeheim wieder verpflichtet werden können, ihre Angehörigen auf finanziellen Unterhalt zu verklagen – jene Menschen, von denen sie womöglich über Jahre hinweg mit hohem persönlichem Einsatz zuhause gepflegt wurden. Das steht nicht nur in krassem Widerspruch zu allen Bemühungen, pflegende Angehörige zu entlasten, sondern kommt auch einem Pflegeregress durch die Hintertür gleich“, warnt Müller.
Viele Familienbeziehungen würden dadurch noch zusätzlich belastet. Müller hofft, dass es sich um ein legistisches Versehen handelt, das noch rechtzeitig repariert wird: „Ansonsten ist nämlich auch zu befürchten, dass die neue Rechtsverfolgungspflicht eine Vielzahl von zusätzlichen Erwachsenenvertretungen nach sich zieht, weil die Betroffenen mit den gerichtlichen Unterhaltsverfahren überfordert sind.“
Noch ein entscheidender Punkt: Seit 2018 darf nicht mehr auf das Vermögen von Betroffenen selbst zugegriffen werden, wenn es darum geht, einen Pflegeheimplatz zu bezahlen (Vermögensregress). Für mobile Pflege- und Betreuungsleistungen gilt dies jedoch auch im neuen Gesetz nicht. Damit können Behörden z.B. auf eine Eigentumswohnung zugreifen. Das hat eine abschreckende Wirkung und führt zu einer Fehlsteuerung. Mehr Menschen gehen ins Pflegeheim – der für das Land letztlich teuersten Variante.
Im derzeitigen Entwurf sind Leistungsansprüche außerdem nur vage bzw. als „Kann-Leistungen“ formuliert. Bei der Übergangspflege fehlt überhaupt eine Formulierung zum Leistungsanspruch. VertretungsNetz fordert, einen Rechtsanspruch auf Leistungen der mobilen Pflege eindeutig im Gesetz zu formulieren – damit der Grundsatz „mobil vor stationär“ letztendlich nicht nur eine leere Phrase bleibt.
Link:
Stellungnahme VertretungsNetz zum stmk. Pflege- und Betreuungsgesetz, Mai 2024 (PDF, 265 KB)