Das Recht auf persönliche Freiheit bzw. Bewegungsfreiheit ist ein Menschenrecht und steht jeder Person zu. Für Menschen mit intellektuellen oder psychischen Beeinträchtigungen, die in Einrichtungen leben, schützt das Heimaufenthaltsgesetz das Recht auf Bewegungsfreiheit.
Die Bewohner:innen von Einrichtungen sind häufig von Freiheitsbeschränkungen betroffen. Ihre Bewegungsfreiheit wird durch verschiedene Maßnahmen eingeschränkt. Das sind massive Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte. Deshalb dürfen Freiheitsbeschränkungen nur unter bestimmten Voraussetzungen erfolgen, die im Heimaufenthaltsgesetz geregelt sind.
Das Gesetz nennt mechanische und elektronische Freiheitsbeschränkungen sowie Beschränkungen durch Medikamente. Beispiele für Freiheitsbeschränkungen sind versperrte Türen, elektronische Überwachungs- bzw. Alarmsysteme, Festhalten, Festbinden der Person an Stuhl oder Bett, Bett-Seitenteile oder die Gabe von sedierenden Medikamenten. Auch das Unterlassen von Mobilisierung beschränkt die persönliche Freiheit. Achtung: Bereits die Androhung einer freiheitsbeschränkenden Maßnahme ist als solche zu werten.
Freiheitsbeschränkungen dürfen immer nur so kurz wie nötig und als letzte Möglichkeit gesetzt werden. Davor müssen Alternativen oder gelindere Mittel zum Einsatz kommen. Ob die Bestimmungen des Heimaufenthaltsgesetzes eingehalten werden, überprüft die Bewohnervertretung. Die Einrichtungen sind verpflichtet, jede freiheitsbeschränkende Maßnahme an die Bewohnervertretung zu melden.
Die Einnahme von Medikamenten gehört für viele Menschen, die in Einrichtungen leben, zum Alltag. Eine Freiheitsbeschränkung liegt dann vor, wenn der Zweck der Medikation ist, Symptome zu behandeln, die mit Bewegungsüberschuss einhergehen.
Freiheitsbeschränkung durch Medikamente ist ein vielschichtiges Thema. Auf Initiative des Justizministeriums wurde dazu der Leitfaden Leitfaden „Freiheitsbeschränkung durch Medikation“ entwickelt. Er soll Personen, die beruflich mit der Anwendung des HeimAufG befasst sind, eine Hilfestellung in der täglichen Praxis geben.
Für Kinder und Jugendliche gelten Menschenrechte genauso wie für Erwachsene. Das Heimaufenthaltsgesetz ist deshalb auch in Wohneinrichtungen für Kinder- und Jugendliche sowie in Sonderschulen und Horten anzuwenden. Insbesondere während Impulsdurchbrüchen werden junge Menschen manchmal von Betreuer:innen unter Einsatz von Körperkraft festgehalten bzw. fixiert, in eigene „Time-out“-Räume verbracht, in einem Zimmer eingesperrt oder unter sedierende Medikamente gesetzt. Jede dieser Freiheitsbeschränkung muss an die Bewohnervertretung gemeldet werden.
Eine Freiheitsbeschränkung bei Kindern und Jugendlichen liegt dann vor, wenn die Beschränkung der Bewegungsfreiheit altersuntypisch ist. Altersuntypisch wäre z.B. die Verwendung eines Gitterbettes für einen Sechsjährigen. Achtung: Als Maßstab gilt das Lebensalter, nicht das Entwicklungsalter des betroffenen Kindes.
Das Justizministerium hat eine Broschüre zur Anwendung des Heimaufenthaltsgesetzes bei Kindern und Jugendlichen herausgegeben.
Das Heimaufenthaltsgesetz gilt für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung oder psychischer Erkrankung, die in Einrichtungen leben oder dort betreut werden.
Das Heimaufenthaltsgesetz gilt in Alten- und Pflegeheimen, Einrichtungen der Behindertenhilfe, Einrichtungen zur Pflege und Erziehung Minderjähriger, Sonderschulen, Horten sowie in sonstigen ähnlichen Einrichtungen und Krankenanstalten (ausgenommen psychiatrische Abteilungen).
Grundsätzlich fallen Einrichtungen, in denen wenigstens drei Personen mit intellektueller Beeinträchtigung oder psychischer Erkrankung ständig betreut oder gepflegt werden können, unter die Bestimmungen des Heimaufenthaltsgesetzes.
Damit eine Freiheitsbeschränkung zulässig ist, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
Alle diese Punkte müssen gleichzeitig erfüllt sein und dokumentiert werden.
Die Freiheitsbeschränkung darf nur unter Einhaltung fachgemäßer Standards und unter möglichster Schonung der betroffenen Person vorgenommen werden. Jede Freiheitsbeschränkung muss den geringst möglichen Eingriff darstellen und darf nur so kurz als nötig eingesetzt werden.
Eine Freiheitsbeschränkung dient dazu, die Bewegungsfreiheit einer Person gegen oder ohne ihren Willen zu beschränken. Es wird einer Person durch verschiedene Maßnahmen unmöglich gemacht, sich frei zu bewegen. Das kann zum Beispiel eine versperrte Tür sein, ein Alarmsystem oder durch sedierende Medikamente.
Im Heimaufenthaltsgesetz werden elektronische und mechanische Freiheitsbeschränkungen sowie Freiheitsbeschränkungen durch Medikamente genannt. Auch die Androhung einer Maßnahme oder Anordnungen wie beispielsweise „du darfst das Zimmer/Haus nicht verlassen“ gelten bereits als Freiheitsbeschränkungen.
Eine FreiheitsBEschränkung passiert gegen oder ohne den Willen der betroffenen Person.
Eine FreiheitsEINschränkung hingegen findet mit Zustimmung der entscheidungsfähigen Person statt. Als entscheidungsfähig gilt eine Person, wenn sie einer Maßnahme ohne Druck und Zwang zustimmt. Sie kann auch verstehen, welche Konsequenzen ihr daraus erwachsen.
Eine FreiheitsEINschränkung muss ebenfalls dokumentiert und an die Bewohnervertretung gemeldet werden.
Je nach Art der Freiheitsbeschränkung ist die jeweils zuständige Berufsgruppe für die Anordnung zuständig. So werden beispielsweise Freiheitsbeschränkungen durch Medikamente von Ärztinnen und Ärzten angeordnet.
Die für Freiheitsbeschränkungen zuständigen Berufsgruppen sind Ärztinnen und Ärzte, diplomierte Pflegepersonen und pädagogische Leitungen.
Die betroffene Person muss von der anordnenden Person in geeigneter Weise über den Grund, die Art, den Beginn und die voraussichtliche Dauer der Freiheitsbeschränkung informiert und aufgeklärt werden. Alle Schritte sind auch schriftlich zu dokumentieren.
Wenn es gesetzliche VertreterInnen gibt, sind diese von der Einrichtungsleitung zu verständigen.
Die Einrichtungsleitung muss auch die Bewohnervertretung über die Freiheitsbeschränkung informieren. Sie muss eine sogenannte Meldung machen. Dafür steht auf www.vertretungsnetz.at ein Webmeldesystem zur Verfügung.
Wenn eine Freiheitsbeschränkung länger als 48 Stunden dauert oder sie wiederholt gesetzt wird, dann muss ein ärztliches Dokument eingeholt werden. Dieses ärztliche Dokument muss in der Einrichtung vorliegen. Die Ärztin/der Arzt bescheinigt darin die intellektuelle Beeinträchtigung bzw. psychische Erkrankung und die damit einhergehende Selbst- oder Fremdgefährdung.
Sobald eine der im Heimaufenthaltsgesetz formulierten Voraussetzungen nicht mehr vorliegt, muss die Freiheitsbeschränkung sofort aufgehoben werden.
Gleiches gilt, wenn eine Gerichtsentscheidung die Freiheitsbeschränkung für unzulässig erklärt.
Die Bewohnervertreter:innen werden bei Gericht und den Einrichtungen namhaft gemacht.
Einrichtungen müssen alle Freiheitsbeschränkungen und Freiheitseinschränkungen an die Bewohnervertretung melden. Die Bewohnervertreter:innen können die Meldung dann direkt vor Ort in der Einrichtung überprüfen. Dazu sprechen sie mit dem:der Bewohner:in, um sich einen persönlichen Eindruck zu machen. Sie führen auch mit der anordnenden Person oder anderen Bediensteten Gespräche. Sie regen an, Alternativen zu erproben und nehmen Einsicht in die Betreuungs- und Pflegeunterlagen des:der Betroffenen.
Der:die Bewohnervertreter:in kann eine Einrichtung auch unangemeldet aufsuchen.
Wenn nötig, stellen die Bewohnervertreter:innen beim zuständigen Bezirksgericht einen Antrag auf Überprüfung der Freiheitsbeschränkung. Im gerichtlichen Überprüfungsverfahren vertreten sie die Interessen des:der Bewoher:in.
Auch bei Kindern und Jugendlichen kommen mechanische und elektronische Freiheitsbeschränkungen sowie Freiheitsbeschränkungen durch Medikamente zum Einsatz. Die Androhung ist bereits eine Freiheitsbeschränkung.
Das Heimaufenthaltsgesetz legt bei Kindern und Jugendlichen fest, dass eine Beschränkung der Bewegungsfreiheit dann vorliegt, wenn es sich um eine nicht alterstypische Beschränkung handelt, wenn zum Beispiel ein Gitterbett über das Kleinkindalter hinaus verwendet wird.
Susanne Jaquemar: Medikamentöse Freiheitsbeschränkung. Replik zu A. Joklik/T. Windisch, RdM 2021/179. (Recht der Medizin 5/2021, S. 211-212
Grainne Nebois-Zeman, Susanne Jaquemar: COVID-19 aus Sicht der Bewohnervertretung nach HeimAufG (ÖZPR 6/2020)
Susanne Jaquemar, Alexandra Niedermoser, Irmtraud Sengschmied: Wirksamer Rechtsschutz durch die Bewohnervertretung für Kinder und Jugendliche. (iFamZ 3/2020)
Stefanie Breinlinger, Susanne Jaquemar, Daniela Ursprung: Verbesserter Rechtsschutz im HeimAufG. HeimAufG-Novelle beendet rechtliche Ungleichbehandlung von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen. (iFamZ August 2018)
Susanne Jaquemar: "Freiheitsbeschränkungen durch Medikamente" Vortrag im Rahmen der Tagung "Medikationssicherheit" am 9. November 2016 in Wien
Grainne Nebois-Zeman, Rosalinde Pimon, Katrin Standhartinger: Freiheitsbeschränkung durch Medikation (Journal für Medizin- und Gesundheitsrecht 1|2016)