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23.05.2024

Alltagskonto nun auch bei bank99 möglich

VertretungsNetz – Erwachsenenvertretung erfreut über Verhandlungserfolg

Ein „Alltagskonto“ ist ein Konto für Menschen mit einer Erwachsenenvertretung. Es beinhaltet eine Bankomatkarte, hat aber keinen Überziehungsrahmen. Erwachsenenvertreter:innen überweisen in regelmäßigen Abständen Geldbeträge, welche die Betroffenen selbstständig für Alltagsgeschäfte beheben können. Niemand soll als Bittsteller:in auf Barauszahlungen angewiesen sein.

Die bank99 war bis vor kurzem die einzige österreichische Bank, die ein solches Konto nicht im Angebot hatte. VertretungsNetz verhandelte fast drei Jahre lang mit der Bank, auch unter Einbeziehung der Bankenschlichtungsstelle. Schließlich machten wir einige Fälle von klarer Diskriminierung öffentlich. Klient:innen von VertretungsNetz war ihr Konto gesperrt worden, sobald eine Erwachsenenvertretung bestellt worden war.

Seit einigen Wochen ist ein Alltagskonto nun auch bei der bank99 möglich. „Wir freuen uns sehr, dass sich unsere Hartnäckigkeit bei diesem Thema bezahlt gemacht hat“, sagt Martin Marlovits angesichts des Verhandlungserfolgs.

Das Umdenken der bank99-Geschäftsführung in punkto Inklusion ist sehr wichtig. Denn als Post-Tochterunternehmen ist die bank99 eine der wenigen Banken mit einem dichten Filialnetz in ganz Österreich. Im ländlichen Raum ist sie mancherorts die einzige Bank-Filiale, sodass Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, keine Alternative haben. Sie werden nun nicht länger vom Zahlungsverkehr ausgeschlossen.

Schwierigkeiten bei Bankgeschäften

Doch auch bei anderen Bankinstituten stoßen Menschen mit Erwachsenenvertretung und ihre Vertreter:innen im Alltag immer wieder auf Schwierigkeiten, weiß Marlovits: „Angehörige berichten uns z.B., dass Filial-Mitarbeiter:innen manchmal nicht wissen, was eine ‚gewählte Erwachsenenvertretung‘ ist und daher das offizielle Dokument über diese Vertretung nicht akzeptieren. Manche Banken sperren vertretenen Personen ohne vorherige Verständigung den Zugang zu ihrem bisherigen Alltagskonto, sobald die 3-Jahres-Frist einer gerichtlichen oder gesetzlichen Erwachsenenvertretung endet – unabhängig davon, ob bereits ein Erneuerungsverfahren eingeleitet worden ist.

Besonders ärgerlich: Für den Vermerk einer Erwachsenenvertretung am Konto der betroffenen Person wird von den meisten Banken eine gesonderte Gebühr in Rechnung gestellt, die bis zu 100 Euro betragen kann – für armutsbetroffene Menschen ein Problem. Auch lange Bearbeitungszeiten bei Neueröffnung oder bei Übernahme eines bestehenden Kontos sind herausfordernd, denn diese Zeiten müssen finanziell und organisatorisch überbrückt werden.

Dazu kommt, dass viele Banken in den letzten Jahren ihr Filialnetz ausgedünnt haben und Prozesse digitalisieren, zunehmend ohne eine analoge Alternative vorzusehen. Ältere Menschen und Personen mit intellektuellen oder psychischen Beeinträchtigungen sind dann oft überfordert, fühlen sich abgehängt und können ihre Geldgeschäfte nicht mehr selbstbestimmt regeln.

„Bei finanziellen Angelegenheiten zeigt sich besonders eindringlich, dass ein umfassendes Verständnis von Inklusion in der Gesellschaft noch nicht angekommen ist. Menschen mit Behinderungen sind weiterhin mit vielen Barrieren konfrontiert“, bedauert Marlovits.

Konsenspapier wird überarbeitet

Im sogenannten „Konsenspapier: Bankgeschäfte und Erwachsenenschutz“ des Justizministeriums haben sich die Banken schon bei Inkrafttreten des Erwachsenenschutzgesetzes 2018 dazu verpflichtet, Menschen mit Erwachsenenvertretung nicht vom Zahlungsverkehr auszuschließen. Erklärtes Ziel der Vereinbarung: „…soweit wie möglich die Selbstbestimmung der vertretenen Personen zu wahren und gleichzeitig die Rechtssicherheit für alle beteiligten Personen zu fördern.“ Das gelingt in der Praxis nicht immer.

Derzeit wird das Erwachsenenschutzgesetz auf Initiative des Justizministeriums evaluiert. In einigen Punkten soll es Nachbesserungen geben, damit Inklusion besser gelingt. Auch das Konsenspapier mit den Banken wird im Zuge dieses Prozesses überarbeitet. VertretungsNetz wird sich hier konstruktiv einbringen und darauf hinwirken, dass es zu weiteren Verbesserungen für Menschen mit Erwachsenenvertretung kommt.


Link: 

Bundesministerium für Justiz: Konsenspapier Bankgeschäfte und Erwachsenenschutz