Einer Tradition von VertretungsNetz folgend, nach der alljährlichen Mitgliederversammlung einen Fachvortrag zu veranstalten, entschloss sich der Verein, heuer ein Thema in Bezug auf den Fachbereich Patientenanwaltschaft zu wählen. Als Referent konnte der Experte für psychiatrische Versorgungsforschung, Prof. Dr. Tilman Steinert, vom Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg (Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie I der Universität Ulm) gewonnen werden.
Etwa 80 MitarbeiterInnen und Interessierte aus dem psychosozialen Umfeld erlebten im Justizpalast in Wien einen hochinteressanten Vortrag unter dem Titel: „Umgang mit Gewalt und Zwang in der Psychiatrie – Der bewusste Umgang mit Gewalt und Zwang als Kriterium für eine qualitätsvolle psychiatrische Behandlung“. Prof. Steinert lieferte einen geschichtlichen Abriss über die Entwicklung der Psychiatrie in Bezug auf Zwangsanwendungen. Dabei verwies er auf die gerade in Deutschland in Druck gehende Leitlinie für den „Umgang mit aggressivem Verhalten“, die auch für Österreich Bedeutung erlangen wird. Neben einer Studie über Schizophrenie und Gewalttätigkeit (Vlbg. 2001), berichtete er auch über die Expansion der forensischen Psychiatrie in Europa. Nach der Darstellung von Fixierungsmaßnahmen (seit 1801) präsentierte er dem Publikum die Empfehlungen der WHO (World Health Organisation) und des CPT (Europäisches Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe) zum Einsatz von Zwang. Prof. Steinert referierte auch über seine Forschungsarbeiten, die u.a. die Dauer und die Möglichkeiten der Reduzierung von Zwangsmaßnahmen betreffen. Er endete mit einem Katalog von Handlungsansätzen, um den Umgang mit Gewalt und Zwang zu verbessern.
Auf Initiative von Prof. Tilman Steinert gründete sich in Deutschland 1997 der Arbeitskreis zur Prävention von Gewalt und Zwang in psychiatrischen Kliniken. Ziel ist, die Erscheinungsformen von Gewalt und Zwang im Alltag psychiatrischer Kliniken empirisch zu erfassen und zu analysieren. Zentrale Anliegen sind dabei, die Häufigkeit von Zwangsmaßnahmen zu reduzieren und ethische Standards zum Umgang mit Zwang und Gewalt zu entwickeln. Dahinter steht neben ethischen Erwägungen der Wunsch nach Transparenz gegenüber einer kritisch eingestellten Öffentlichkeit.
Mittlerweile gehören dem Arbeitskreis 22 Kliniken an. Dabei handelt es sich sowohl um Fachkrankenhäuser, als auch um psychiatrische Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern. Seit 2005 besteht auch eine Kooperation mit dem Schweizer „Qualitätszirkel Benchmarking Zwangsmaßnahmen“, in dem sieben psychiatrische Kliniken vertreten sind.
Arbeitskreis Gewaltprävention
Das Handout des Vortrags steht als pdf-Datei zur Verfügung: (Format A4, 1.664 KB)