Wissenschaftlicher Evaluationsbericht liegt vor
Kürzlich beauftragte das Bundesministerium für Justiz die Sachwaltervereine mit dem Ausbau von Clearing-Maßnahmen. Hintergrund des Modellprojekts „Clearing Plus – Unterstützung zur Selbstbestimmung“ sind die großen Erfolge des Clearings, die VereinssachwalterInnen bisher erzielt haben.
Im Clearing arbeiten VereinssachwalterInnen
mit Betroffenen und ihrem persönlichen Umfeld daran, mögliche Alternativen für eine Sachwalterschaft auszuloten. Denn oft finden sich Unterstützungsangebote, sodass eine Sachwalterschaft – immerhin ein massiver Eingriff in persönliche Rechte –möglicherweise vermieden werden kann. Durch die Einbindung der Betroffenen in den Clearing-Prozess soll deren Autonomie und Selbstbestimmung so weit als möglich gewahrt bleiben.
Die Sachwaltervereine bieten Clearing schon seit 2007 an. Im Moment sind 42 Vollzeitstellen von VertretungsNetz für diese Tätigkeit vorgesehen. Das Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie (IRKS) begleitete Clearing einige Jahre lang mit einer umfangreichen wissenschaftlichen Evaluation. Nun liegt der Endbericht dieses Forschungsauftrags vor. Er bestätigt, was VereinssachwalterInnen aus ihrer Erfahrung wissen: Einmal beschlossene Sachwalterschaften werden kaum mehr aufgehoben. Umso wichtiger ist es, im Vorfeld anzusetzen, um Alternativen zu finden.
Konkrete Erfolge
Besonders deutlich zeigt sich der Erfolg des Clearings anhand der Verfahrenseinstellungen. „Ein Drittel der Sachwalterverfahren konnte nach Empfehlung im jeweiligen Clearingbericht eingestellt werden. Das bedeutet, dass für die betroffenen Personen eine andere Lösung als eine Sachwalterschaft gefunden wurde“, zeigt sich VertretungsNetz-Geschäftsführer Dr. Peter Schlaffer erfreut. In vier von zehn Fällen übernehmen Angehörige, die eine Sachwalterschaft anregen wollten, nach einer Beratung durch ClearerInnen alternative Unterstützungsleistungen für ihre Familienmitglieder wie etwa eine Angehörigenvertretung.
55% der Sachwalterschaften werden derzeit immer noch für alle Angelegenheiten ausgesprochen, obwohl schon seit 1984 gesetzlich vorgesehen ist, die Geschäftsfähigkeit einer Person nur für Teilbereiche des Lebens einzuschränken. Clearing trägt laut IRKS-Bericht dazu bei, Sachwalterschaften öfter einzugrenzen bzw. zu befristen.
Vom IRKS befragte RichterInnen beurteilen Clearing durchwegs positiv bis sehr positiv. In 85% der Fälle folgen sie in ihrem Beschluss den Empfehlungen des Clearingberichts. Die RichterInnen sparen durch Clearing nicht nur Zeit, sondern die Verfahren gewinnen auch an Qualität. Durchwegs wird die gute Kooperation mit den Sachwaltervereinen gelobt.
Der IRKS-Bericht zeigt aber auch eine bedenkliche Entwicklung: Immer mehr Sachwalterschaften werden nicht mehr durch Angehörige angeregt, sondern durch Institutionen. Dr. Schlaffer dazu: „Betreuungseinrichtungen haben oft Angst vor Haftungsfragen. Sie versuchen, sich über die Anregung einer Sachwalterschaft abzusichern und üben dementsprechend Druck aus. Leider haben die Länder in den letzten Jahren die Leistungen der sozialen Dienste massiv abgebaut – nun ergeben sich Probleme“.
Über das neue Projekt „Clearing Plus – Unterstützung zur Selbstbestimmung“ sollen nun durch ein erweitertes Clearing noch mehr Sachwalterschaften vermieden werden als schon bisher durch Clearing. An elf österreichischen Standorten wird es das Angebot geben. Ein Tropfen auf den heißen Stein? Dr. Schlaffer betont: „Wenn man österreichweit Clearing Plus anbieten will, dann muss man auch die Ressourcen der Sachwaltervereine aufstocken. Vom Konzept her sind wir aber mit Clearing Plus auf dem richtigen Weg.“
Links:
Walter Fuchs, Walter Hammerschick: Sachwalterschaft, Clearing und Alternativen zur Sachwalterschaft. Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie (IRKS) im Auftrag des Bundesministeriums für Justiz (BMJ), Wien 2013, Executive Summary
Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie (IRKS)