Bereichsleiter Robert Müller über den Trend zu "strengen" Gesetzen auf Kosten von Existenzsicherung und Menschenwürde, am Beispiel Steiermark.
VertretungsNetz vertritt als Erwachsenenschutzverein in der Steiermark etwa 1.400 Betroffene mit kognitiver oder psychischer Beeinträchtigung im Rahmen von gerichtlichen Erwachsenenvertretungen. Viele unserer Klient:innen sind auf Sozialleistungen angewiesen. Die Auseinandersetzung mit den landesgesetzlichen Sozialleistungen gehört seit über 40 Jahren zu unseren Kerntätigkeitsbereichen. Wir nehmen nun auch Stellung zur bevorstehenden Novelle des Sozialunterstützungsgesetzes in der Steiermark.
Die Sozialhilfe und ihre Nachfolgemodelle, die Mindestsicherung und die Sozialunterstützung sind seit jeher als subsidiäre Unterstützungsleistungen der Armutsbekämpfung konzipiert und als solche seit jeher vom zumutbaren Einsatz eigener Mittel und Möglichkeiten abhängig. Auch die Pflicht zum zumutbaren Einsatz der eigenen Arbeitskraft als Leistungsvoraussetzung, die hier wieder einmal im politischen Wahrnehmungsfokus steht, ist daher bei weitem kein neues Thema, sondern gehört zum Urbestand der Sozialhilfe und der Folgegesetze.
Zur Frage der Zumutbarkeit beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft ist jeweils auf die persönlichen Verhältnisse der Leistungsbezieher:innen abzustellen. In der Praxis ist das viel mehr eine Frage der tatsächlichen Umsetzung und Umsetzbarkeit im Einzelfall, als eine Frage der theoretischen Definition unbestimmter Rechtsbegriffe wie „Zumutbarkeit“ oder „Mitwirkungsbereitschaft“. Immerhin sind Personen genau dann auf diese Leistungen angewiesen, wenn die vorhandenen Unterstützungssysteme für einen Verbleib im Arbeitsleben (bzw. in den Leistungsbereichen der Sozialversicherung) bereits einmal erfolglos waren.
„Hilfe“ bedeutet vor allem das Wahrnehmen und Erkennen eines Defizits und dessen Ausgleich. Auch „Hilfe zur Selbsthilfe“ war schon immer ein wesentliches Ziel und Element der Sozialhilfe, aber nicht als moralischer Vorwurf, warum es überhaupt zur Hilfsbedürftigkeit gekommen ist, oder als Generalverdacht, dass die Hilfe eigentlich nicht notwendig ist, sondern als gezielte Unterstützung, die neben einer Stabilisierung durch eine wirtschaftliche Existenzgrundlage eben auch eine dauerhafte Wiedererlangung der Selbsterhaltungsfähigkeit im Blick hat, ohne die Lebenssituation durch hohen Druck gleich wieder zu destabilisieren.
Ein Fortschritt bei der Hilfe zur dauerhaften Bewältigung von Notlagen und der Wiedereingliederung ins Erwerbsleben würde daher vor allem eine Auseinandersetzung mit den persönlichen und sozialen Kausalverläufen erfordern, die zum Zustand der Hilfsbedürftigkeit geführt haben und sollte vor allem zu einer Verbesserung der Wahrnehmungs- und Unterstützungssysteme führen, statt einem Verweis auf die Eigenverantwortung der Betroffenen. Oder im Sinne des bekannten Zitates von Albert Einstein: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind!“
Praktisch jede Gesetzesänderung in den letzten 30 Jahren hat aber gerade in dem Punkt für sich in Anspruch genommen, vor allem eins zu sein, nämlich „strenger“ als die bisherige Rechtlage. Der ständige Ruf nach mehr „Strenge“ genau im Moment der Hilfsbedürftigkeit scheint dabei eher Ausdruck des erlebten Rechtfertigungsdrucks für diese Leistungen zu sein (der seinerseits diese Rechtfertigungsdynamik weiter verstärkt).
Und die „Strenge“ ist vor allem Ausdruck fehlender Ideen und Konzepte, wie mit den vorhandenen sozialen Notlagen und ihrer Bewältigung entsprechend lösungsorientiert umzugehen wäre. Denn es ist wesentlich einfacher, „Strenge“ und „Sanktionen“ zu fordern, als sich mit der Komplexität der Zusammenhänge von Armut und sozialer Ausschließung auseinanderzusetzen und wirksame Maßnahmen einer verlässlichen beruflichen Eingliederung zu finden.
Die Notwendigkeit einer Leistung der Sozialunterstützung markiert ja genau den biografischen Punkt, an dem eine Person unter den gegebenen Umständen eben nichtmehr in der Lage ist, ihre Existenzgrundlage aus eigener Kraft zu sichern und eben deshalb ist sie ja auf die Hilfe der Gemeinschaft angewiesen. Wenn genau an dem Punkt der Hilfsbedürftigkeit dann aber mit zunehmender „Strenge“ die „Eigenverantwortung“ und „Leistungsbereitschaft“ der Person thematisiert wird, dann lässt das entweder fehlende Kenntnis der Zusammenhänge vermuten oder fehlende Bereitschaft sich damit auseinanderzusetzen (oder beides).
Der vorliegende Begutachtungsentwurf ist in dem Sinne besonders Ausdruck dieser fehlenden Ideen und Konzepte, da er neben einer Reduktion des Leistungsniveaus und der Rechtssicherheit der Leistungen praktisch nur solche Verschärfungen bei den Zumutbarkeitskriterien und Sanktionen enthält und keine wie immer geartete Weiterentwicklung einer konstruktiven Lösungssuche.
Auch bei unseren Klient:innen mit psychischer Beeinträchtigung machen wir die Erfahrung, dass Mitwirkungspflichten zunehmend überspannt werden und die Arbeit im Rahmen der Erwachsenenvertretung dadurch immer aufwendiger wird, um das auszugleichen. Das heißt, selbst bei den Personen, bei denen gerichtlich festgestellt eine psychische Erkrankung vorliegt und eine Erwachsenenvertretung bestellt wurde, besteht bei den Behörden kein Bewusstsein, dass sich diese psychische Beeinträchtigung auch auf die Fähigkeit zur Erfüllung von Mitwirkungspflichten auswirkt.
An dem Punkte ist es sinnvoll, den Zweck und die historische Entstehung der Sozialhilfe in Erinnerung zu rufen. Die Ursprünge der Sozialhilfe liegen in den Erfahrungen der beiden Weltkriege, die wesentliche Intention lag darin, an die Stelle einer Hoffnung auf Barmherzigkeit künftig einen Anspruch auf Hilfe treten zu lassen, wenn auch der Schutz der Sozialversicherung versagt hat.
„Die Solidarität der Gemeinschaft gründet nicht mehr darauf, dass alle leisten, sondern dass alle bedürftig sind – es ist die Solidarität, die in den Niederlagen des Ersten und Zweiten Weltkriegs in Inflation, Wirtschaftskrise und Währungsreform, unter den Bomben, bei der Vertreibung und auf der Flucht gelernt wurde“ (Bernhard Schlink, Der Preis der Gerechtigkeit, in Vergewisserungen - Über Politik, Recht, Schreiben und Glauben, Seite 139).
Solidarität lebt vom Bewusstsein aller, dass das Schicksal auch einen selbst hätte treffen könnte. Und es hat den Anschein, dass diese historische Lektion der Solidarität verloren zu gehen droht, wenn wir über zwei Generationen am reich gedeckten anderen Ende des Tisches dieser Erfahrungen sitzen und auf Bedürftigkeit nicht mehr mit Betroffenheit und Solidarität, sondern mit dem Hinweis auf Gerechtigkeit, Leistung und Eigenverantwortung reagieren.
Ein Sozialunterstützungsgesetz ist umso „erfolgreicher“, je mehr es im Sinne einer solidarischen und kollektiven Verantwortung Armut und soziale Ausschließung verhindert oder bewältigt. Je „strenger“ es ist und je mehr die Verantwortung für das eigene Schicksal hilfsbedürftiger Personen wieder individualisiert und damit entsolidarisiert wird, umso weniger wird diese solidarische und kollektive Verantwortung wahrgenommen.
Deshalb geht es bei Sozialunterstützung um Menschenwürde und es geht nicht um Gerechtigkeit (was immer mit „Gerechtigkeit“ als Gegenargument zur Solidarität an dieser Stelle gemeint sein soll). Es geht um ein menschenwürdiges Leben all jener, die in einer Notlage sind, die aus eigener Kraft nicht für ihre Existenzgrundlage sorgen können und dazu der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen.
Und es ist die historische Erkenntnis, dass es in der Situation nicht nur die Hilfe zur Existenzsicherung selbst braucht, sondern auch den Rechtsanspruch auf diese Hilfe, damit die Menschenwürde gewahrt bleibt. Denn nur der Rechtsanspruch auf die Hilfe befreit die Betroffenen von der entwürdigenden Rolle als Bittsteller und Almosenempfänger. Damit geht es um den Erhalt einer gesellschaftlichen Basis, auf der die Fragen von Gerechtigkeit, Freiheit und Eigenverantwortung überhaupt erst verhandelbar werden.
Wenn die Fähigkeit, sich selbst in eine wirtschaftliche Notlage zu denken, zunehmend verloren geht, dann lässt sich als gedankliche Brücke dafür auch eine andere Notlage nehmen, etwa die Notlage nach einer Unwetterkatastrophe. Auch hier geht es darum, die Existenzgrundlage und einen selbstverständlichen Anspruch auf Hilfe zu sichern, damit die Menschenwürde der Betroffenen gewahrt bleibt.
Niemand möchte in der Situation als Bittsteller und Almosenempfänger dastehen und niemand braucht eine „strenge“ Katastrophenhilfe oder eine „strenge“ Feuerwehr, die in der Situation anfängt von Gerechtigkeit und Eigenverantwortung zu reden und wertvolle Zeit verstreichen lässt, nur um zu prüfen, ob den Betroffenen nicht vielleicht doch irgendein eigenes Fehlverhalten vorzuwerfen ist oder bei jedem brennenden Haus einen Versicherungsbetrug zu vermuten, statt das zu tun, was eine Feuerwehr eben tun sollte, nämlich zu löschen. In einer wirtschaftlichen Notlage ist es nicht anders.
Die Idee der Sozialhilfe ist, auf einen Satz zusammengefasst: Alle, die in dieser Gesellschaft leben und leben dürfen, sollen menschenwürdig leben! Je eher wir diesen Grundsatz verlassen, umso mehr akzeptzieren wir, dass es auch menschenunwürdige Lebenssituationen in unserer Gesellschaft gibt und der unpassende Verweis auf eine „Eigenverantwortung“ ist eher der Versuch, sich davon nicht berühren zu lassen.
Zielbestimmungen am Beginn von Gesetzen dienen als Orientierung, in welchem politischen Grundverständnis die Intention des Gesetzes zu verstehen ist. Auch wenn die entsprechenden Regelungen bei dieser Novelle nicht verändert werden sollen, ist auch die jetzige Änderung Ausdruck eines schon bestehenden problematischen Trends einer Deformation. Um das deutlich zu machen ist es sinnvoll einen Blick auf die Entwicklung der Zielbestimmungen zu werfen.
In den Anfängen war der historische Bezug zur Menschenwürde noch evident. Ziel der Sozialhilfegesetze (in allen Bundesländern) war durchwegs „die Führung eines menschenwürdigen Lebens“ und „die Abwendung bzw. die Beseitigung einer Notlage“. Schon mit dem Wechsel in die Mindestsicherung 2011 erfolgte die erste Deformation. Die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausschließung blieb wohl als Kern erhalten, der Bezug zur Menschenwürde findet sich aber nicht mehr. Stattdessen wird „die Förderung einer Wiedereingliederung ins Erwerbsleben“, die bis dahin im Rahmen der individuellen Zumutbarkeit eben ein Mittel und Weg zur Bewältigung der Notlage war, nun neu zum Ziel der Mindestsicherung erklärt und damit – vorerst eher versteckt – der Grundstein zum Trend einer künftig „strengen Hilfe“ gelegt.
Wenn die Leistung der Sozialhilfe die Existenz in einer Notlage sichern soll, dann ist das wesentliche Druckmittel, um eine Verhaltensänderung zu erzwingen, der Entzug der Leistung, damit aber auch der Entzug der Existenzgrundlage. Das heißt: Um das Ziel der Existenzsicherung zu erreichen, wird die Existenzgrundlage und damit das Ziel selbst geopfert. Und damit die Paradoxie nicht so auffällt, wird eben die Wiedereingliederung ins Erwerbsleben neu zum Ziel erklärt.
Damit beginnen sich die Verhältnisse umzukehren: Die Wiedereingliederung war bis dahin ein möglicher und erstrebenswerter Weg, aber das wichtigste war (im Sinne der Menschenwürde) die Vermeidung von Armut und Notlage. Nun verschiebt sich der Fokus auf die Wiedereingliederung ins Erwerbsleben als Ziel und die Sicherung der Existenzgrundlage wird damit vom eigentlichen Ziel zunehmend zur bloßen Gestaltungsmöglichkeit und zum Druckmittel umfunktioniert. Ein Schritt, bei dem die Menschenwürde unweigerlich auf der Strecke bleiben muss.
Mit dem Sozialunterstützungsgesetz 2021 wird das noch weiter verstärkt, indem das Ziel „einer Abwendung oder Beseitigung der Notlage“ in der Mindestsicherung zu einem bloßen „Beitrag zur Unterstützung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs“ weiter abgeschwächt und das Ziel einer Wiedereingliederung ins Erwerbsleben vor allem durch härtere Sanktionen weiter verstärkt wird.
Genau diesen Trend verstärkt die jetzige Novelle noch einmal, indem sie die Druckmittel bis hin zu Ersatzfreiheitsstrafen noch einmal verschärft. Dann gibt es keinen allgemeinen Anspruch auf Existenz mehr, der in der Menschenwürde begründet ist, sondern nur mehr einen „möglichen Beitrag zur Unterstützung des Lebens- und Wohnbedarf“, der durch Bereitschaft und Bemühung zur Eingliederung ins Erwerbsleben auch erst „erworben“ werden muss und das alles bei Personen, bei denen zu dem Zeitpunkt die Hilfsbedürftigkeit gerade deshalb besteht, weil eine Eingliederung ins Erwerbsleben bereits einmal auf allen Ebenen gescheitert ist.
Ein letzter Punkt betrifft das chronische Missverständnis, das vor allem im Kontext von Sozialunterstützung und Migration immer wieder bedient wird, um in der Diskussion zu versuchen, ein Unterscheidungsmerkmal zwischen österreichischen und nichtösterreichischen Leistungsbezieher:innen zu etablieren, etwa in Äußerungen, dass „die Hilfe zu einem überwiegenden Teil an Personen gehen würde, die nie etwas ins System eingezahlt hätten“.
Dazu kann man offenbar nicht oft genug klarstellen, dass die Sozialunterstützungen eben genau keine Leistung einer Sozialversicherung ist und dass niemand, der daraus Leistungen bezieht, jemals etwas in dieses System eingezahlt hat.
Es geht mit der Sozialunterstützung als letztes soziales Netz eben genau darum, die etwa 1% der Personen in unserer Gesellschaft aufzufangen, für die auch das umfassende System der Sozialversicherung keine ausreichende Existenzsicherung bietet und wenn die Solidarität als Grundlage dafür in einer sozialen Hängematten-Rhetorik zunehmend geschwächt wird, dann muss scheinbar ein Kriterium zur Unterscheidung nach Staatsbürgerschaft herbeigeredet werden, das es in Wahrheit nicht gibt, denn Menschenwürde kann keine Frage der Staatsbürgerschaft sein.
Im Übrigen ist der Bezug von Sozialleistungen ohne Versicherungsprinzip deutlich weiter, als es allgemein bewusst zu sein scheint. Auch der Bezug einer Ausgleichszulage ist eine Leistung der Sozialhilfe, die sich aus keiner Versicherungslogik ableitet, sondern aus der Logik eines existenzsichernden Mindesteinkommens, lediglich mit dem Unterschied, dass ihre Administration und Auszahlung an eine Pension als Versicherungsleistung gekoppelt wird. Gäbe es auch bei Erwerbseinkommen, Arbeitslosengeld oder bei der Notstandshilfe ein ähnliches System einer Ausgleichszulage, die eine geringe Leistung auf ein existenzsicherndes Niveau „auffüllt“, würde sich ein großer Teil des Bezuges von Sozialunterstützung erübrigen.
Bei einer Abschätzung der Folgen eines Gesetzes kommt es wohl darauf an, welche Wirkungen man erreichen möchte, welche Wirkungen man im Blick hat und misst und welche nicht. Auch da wirkt die Deformation der Zielbestimmungen mit und verschiebt den Fokus.
Wenn es lediglich darum gehen soll, die Ausgaben in dem Bereich zu senken, wird die Gesetzesänderung für die Verantwortlichen sicher „ein Erfolg“ sein. Nicht nur die Höhe der einzelnen Leistungen werden geringer sein, viele werden an den neuen Hürden scheitern oder überhaupt abgeschreckt werden. Damit wird auch die Zahl der Leistungsbezieher zurückgehen. Denn wenn die Qualität einer Feuerwehr nicht am Rettungserfolg ihrer Einsätze gemessen wird, sondern nur daran, wie sparsam der Wasserverbrauch war, dann wird eine „strenge“ Feuerwehr vermutlich auch „besser“ abschneiden.
Personen in wirtschaftlichen Notlagen können sich nicht öffentlich artikulieren, das gilt ganz besonders für Menschen mit kognitiven oder psychischen Beeinträchtigungen und für Kinder in Familien, die von Armut betroffen sind. Ihre problematischen Schicksale werden, wenn man nicht hinschauen und sie wahrnehmen will und wenn man den Wahrnehmungen der damit befassten Organisationen nicht glauben will, eben auch nicht wahrgenommen werden oder bestenfalls mit einem Hinweis auf „Gerechtigkeit“ in eine „Eigenverantwortung“ verwiesen.
Der eigentliche Sinn und Zweck eines Sozialunterstützungsgesetzes ist es, ein menschenwürdiges Leben aller in unserer Gesellschaft zu sichern sowie Armut und soziale Ausschließung zu vermeiden. Um das wirklich als „Erfolg“ zu messen, braucht es sozialwissenschaftliche Wahrnehmungsinstrumente. Aber so viel kann verlässlich gesagt werden, dass diese Gesetzesänderung keine positive Wirkung darauf haben wird.
Zu § 8 Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs: Die Leistungsreduktionen stehen auch im Gegensatz zur laufenden Teuerung gerade bei den Lebenshaltungskosten. Die reduzierte Staffelung bei Familien verstärkt die Kinderarmut und schafft damit eine Armutsgefährdung über mehrere Generationen.
Zu § 10 Zusatzleistungen zur Vermeidung besonderer Härten: Schon die Überschrift stellt klar, wie wichtig diese Leistungen sind, konkret geht es um dringend erforderliche Anschaffungen, Reparaturen oder Nachzahlungen, die aus dem laufenden Bezug nicht gedeckt werden können. Hier gab es positive Erfahrungen in der Spruchpraxis des Landesverwaltungsgerichtes, das die bisherige Formulierung „sind… zu gewähren“ als Rechtsanspruch ausgelegt hat. Diese Rechtssicherheit geht nun wieder verloren und die Änderung konterkariert auch die Bemühung um rechtliche Klärungen durch die unabhängigen Verwaltungsgerichte.
Zu § 11 Bestattungsaufwand: Das war schon bisher eine Kann-Leistung und es ist fraglich, warum sie noch weiter abgeschwächt werden muss. Hier bleibt die ethische und praktische Frage, was mit der verstorbenen Person passiert, wenn die Kosten nicht übernommen werden.
Zu § 16 Verfahren: Mitwirkungspflichten waren immer schon ein Bestandteil und sind gleichzeitig hinsichtlich ihrer Zumutbarkeitsgrenzen eben unbestimmt. Schon im bisherigen Vollzug war das Problem vor alle eine Überspannung der Mitwirkungspflichten durch die Behörden, bei der evidente Defizite der Person, die zur Hilfsbedürftigkeit geführt haben, als Hindernis einer Mitwirkung durchwegs ausgeblendet werden, selbst dann, wenn es um eine gerichtlich festgestellte psychische Erkrankung geht (siehe oben). Mit der Steigerung zu einer „aktiven“ Mitwirkungspflicht wird das tendenziell verschärft, gleichzeitig ist völlig unklar, was in einem Offizialverfahren mit dieser Steigerung einer nun „aktiven Mitwirkung“ gemeint sein soll.
Zu § 17 Anzeige- und Rückerstattungspflicht: Als Grund um von der Rückerstattung abzusehen, bleibt nur noch der unverhältnismäßig hohe Verwaltungsaufwand. Damit kann eine Rückerstattung auch erfolgen, wenn die Ziele des Gesetzes dadurch gefährdet werden und wenn das zu besonderen sozialen Härten führt. Hier zeigt sich ganz besonders deutlich, wie das eigentliche Ziel der Existenzsicherung „geopfert“ wird.
Zu § 29 Strafbestimmung: Den Begriff „grob vorsätzlich“ in Abs 1 gibt es nicht. Es gibt grobe Fahrlässigkeit und es gibt Vorsatz. Auch diese Regelung soll vermutlich „Strenge“ vermitteln, führt aber eher dazu, dass sie nicht anwendbar ist, weil die Behörde nicht etwas feststellen kann, das es rechtlich nicht gibt. Der zumutbare Einsatz der eigenen Arbeitskraft ist (siehe oben) ein unbestimmter Begriff, der nur vor dem Hintergrund der persönlichen Verhältnisse konkretisiert werden kann. Eine Anordnung von Sanktionen „beim zweiten Verstoß“ macht den Begriff nicht klarer und bestimmter.
Auch die Einhaltung von behördlich angeordneten Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsfähigkeit, sozialen Stabilisierung oder Integration wird an Zumutbarkeitskriterien auszurichten sein, wenn das nicht zu reinen Schikane verkommen soll. Weiters müssen solche Maßnahmen eben auch geeignet sein, eine soziale Stabilisierung zu erreichen, was man schon daran merkt, dass die Maßnahme von der Person gut angenommen wird.
Hier wird neuerlich die Paradoxie deutlich. Die Nichteinhaltung einer angeordneten Maßnahme zur sozialen Stabilisierung führt zu einer Strafe, unter Umständen auch zu einer Freiheitsstrafe, was die Person verlässlich weiter destabilisiert. Das vermeintliche Ziel einer Existenzsicherung und Stabilisierung wird „geopfert“ und damit in den Hintergrund gedrängt, das wahre Ziel der Regelung ist Disziplinierung, auch um den Preis einer sozialen Destabilisierung und den Verlust der Existenzgrundlage.