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Justizgebäude Salzburg, Haupteingang

wikimedia commons

28.08.2025

Ein grundrechtliches Armutszeugnis

Ein Bewohner einer Behinderteneinrichtung wurde fünf Stunden am Leibstuhl festgebunden. Die Bewohnervertretung nimmt Stellung zum Strafverfahren.

Ein Bewohner einer Salzburger Behinderteneinrichtung wurde fünf Stunden lang an einem Leibstuhl festgebunden, mittels Klebeband und Bademantelgurt. Das Strafverfahren gegen den zuständigen Pfleger wegen Freiheitsentziehung endete mit einem Freispruch im Zweifel. Es blieb unklar, ob wirklich er es war, der den Bewohner fixiert hat. Und: Eine derartige Sicherung sei wohl notwendig gewesen, um eine Verletzung des Bewohners zu verhindern, so das Gericht. 

Dem widerspricht die Bewohnervertretung von VertretungsNetz: „Wir haben den Fall gemäß unseres gesetzlichen Auftrags überprüft, um zu klären, ob die gesetzte Freiheitsbeschränkung als solche zulässig war,“ erklärt Alexandra Niedermoser, Bereichsleiterin Bewohnervertretung bei VertretungsNetz für die Regionen Salzburg und Tirol. Schon vor dem Strafverfahren gegen den Pfleger hat VertretungsNetz eine gerichtliche Überprüfung der gesetzten Maßnahmen gemäß Heimaufenthaltsgesetz veranlasst. 

Die Entscheidung des zuständigen Gerichts liegt auch bereits vor: Die Fixierung war zur Gefahrenabwehr nicht notwendig und nicht geeignet. Auch was die Dauer und die Intensität betrifft, war die Maßnahme nicht angemessen. Außerdem war das Vorgehen weder angeordnet, noch dokumentiert, noch an die Bewohnervertretung gemeldet worden. 

Die gesetzlichen Vorgaben wurden also auf vielen Ebenen nicht eingehalten. „Es ist erschreckend, wie in der Strafverhandlung nun lapidar gemutmaßt wurde, ‚es wird schon notwendig gewesen sein‘ – angesichts der schweren Menschenrechtsverletzung an einer vulnerablen Person“, kritisiert Niedermoser.

„Auch wenn es für den Pfleger bzw. die Einrichtung keine strafrechtlichen Konsequenzen geben wird: Einen hilflosen Menschen fünf Stunden lang mittels Klebeband und Bademantelgürtel an einem Stuhl festzubinden, ist ein grundrechtliches Armutszeugnis, auf keinen Fall "state of the art" bzw. das „gelindeste Mittel“, sondern absolut unverhältnismäßig und weit entfernt von den pflegerischen Standards des 21. Jahrhunderts.“


Link zum Medienbericht: 
Pfleger soll Bewohner in Flachgauer Heim fünf Stunden an Leibstuhl gefesselt haben - Freispruch | SN.at