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Patientenanwalt Bernhard Rappert
Patientenanwalt Bernhard Rappert
30.03.2017

„Eine psychische Krisensituation kann jede und jeden treffen“

Die psychiatrische Versorgung von Kindern und Jugendlichen in Wien bleibt weiterhin mangelhaft

56 Betten stehen in Wien in der Psychiatrie auf Spezialstationen für Kinder und Jugendliche zur Verfügung. 56 Betten, die ständig belegt sind. 56 Betten, die zumindest 128 sein sollten, damit Minderjährige bedarfsgerecht betreut werden können.

Die Versorgung im ambulanten Bereich ist in der Bundeshauptstadt derart unterdimensioniert, dass immer mehr Jugendliche stationär auf psychiatrischen Abteilungen aufgenommen werden. Vergangenes Jahr ist die Anzahl von Unterbringungen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie um 60% gestiegen.

„Eine psychische Krisensituation kann jede und jeden treffen. In jeder Familie kann es passieren, dass ein Kind in eine emotionale Krise gerät in der es professionelle Unterstützung benötigt“, so Bernhard Rappert, VertretungsNetz-Patientenanwalt in Wien.

Ein Todesfall in der Familie, Mobbing in der Schule oder im schlimmsten Fall: Gewalterfahrungen. Die Ursachen für psychische Krisen können verschieden sein. Sie treffen Kinder und Jugendliche, genauso wie Erwachsene. „Wird eine stationäre Aufnahme notwendig, ist es gut, wenn in der Kinder- und Jugendpsychiatrie ein Bett frei ist. Denn nur dort steht die Infrastruktur zur Verfügung, die die Betreuung Minderjähriger erfordert: pädagogische Begleitung, altersspezifische Therapieangebote, FachärztInnen die auf die Behandlung Minderjähriger spezialisiert sind.“

Wegen Platzmangels in der Erwachsenenpsychiatrie

Doch nicht alle Minderjährigen haben in Wien das Glück ihrem Alter entsprechend betreut und versorgt zu werden. Im vergangenen Jahr waren wieder tagtäglich ein bis zwei Jugendliche wegen Platzmangels in der Erwachsenenpsychiatrie untergebracht. „Das ist ein unhaltbarer Zustand, der sich endlich ändern muss“, zeigt sich Rappert verärgert über das ewige Hinhalten.

Während in anderen Bundesländern bereits Maßnahmen ergriffen werden, um diesem Missstand zu begegnen, verweist der Krankenanstaltenverbund (KAV) in Wien weiterhin bloß auf die Zukunft. „Bereits vor zwei Jahren hätten die aktuellen Pläne umgesetzt sein sollen. Doch geschehen ist nichts. Wenn sich die Pläne Jahr um Jahr verzögern, dann muss eine interimistische Lösung gefunden werden, um diesen Kindern eine Chance zu geben“ so Rappert.

Gerichte folgen Sicht der Patientenanwaltschaft

Das Landesgericht hat die Rechtsmeinung der Patientenanwaltschaft bereits bestätigt. „Minderjährige haben ein Recht darauf im Fall des Falles auf einer Spezialstation für Minderjährige untergebracht zu werden. Die dafür erforderlichen Ressourcen sind zur Verfügung zu stellen“, erinnert sich Bernhard Rappert an die Entscheidungen.

Derzeit steht ein weiterer interessanter Fall zur Verhandlung: Wie steht es um Schadensersatzansprüche von Minderjährigen, wenn sie nicht angemessen untergebracht werden? Die Eltern einer Minderjährigen haben eine Klage gegen die Republik eingebracht. „Wir sind sehr auf die Entscheidung des Gerichts gespannt. Kolportiert wird ein Betrag von rund 2.000 Euro pro Tag. Da käme auf die Republik wegen der Untätigkeit der Verantwortlichen eine immense Summe an Schadensersatzforderungen zu.“

 

Siehe auch:

Pressefrühstück der Volksanwaltschaft: Eklatante Defizite in der Wiener Kinder- und Jugendpsychiatrie