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Parlament
Peterwuttke~commonswiki
22.02.2017

Entwurf des neuen Erwachsenenschutzgesetzes im Parlament angekommen

Ministerrat fasste im Jänner den Beschluss zur Reform des Sachwalterrechts

Mit einigen Wochen Verzögerung und deutlichen finanziellen Abstrichen passierte das Erwachsenenschutzgesetz Mitte Jänner den Ministerrat. Damit steht dem parlamentarischen Prozess nichts mehr im Weg. Betroffene können sich Hoffnung auf eine Zukunft mit einem selbstbestimmteren Leben machen.

Ob sich das Warten gelohnt hat, wird sich erst zeigen. Fest steht zunächst einmal, dass die Reform des Sachwalterrechts nun weitergeht. Der Ministerrat hat das Gesetz in seiner Sitzung am 17. Jänner 2017 beschlossen. Das ist ein positives Zeichen für all jene, die auf ein Mehr an Selbstbestimmung durch das neue Gesetz hoffen.

Paradigmenwechsel
Das Erwachsenenschutzgesetz erfordert von allen Beteiligten auch eine Haltungsänderung: weg vom stellvertretenden Entscheiden für jemanden, hin zum gemeinsamen Entscheiden. Das Gesetz bringt demnach einen Paradigmenwechsel mit sich. Für Betroffene sollte künftig eine maßgeschneiderte Vertretung möglich sein, abgestimmt auf die eigenen Fähigkeiten. Das Ziel ist dabei immer, die Selbstbestimmung so lange wie möglich aufrecht zu erhalten.

Neben der Grundstruktur mit den vier Säulen Vorsorgevollmacht, gewählte Erwachsenenvertretung, gesetzliche Erwachsenenvertretung und gerichtliche Erwachsenenvertretung, sieht das Gesetz teilweise eine Befristung der Vertretung auf jeweils drei Jahre vor. Nach diesem Zeitraum wird bei gerichtlichen und gesetzlichen Erwachsenenvertretungen erneut ein Verfahren eingeleitet. Dabei wird geschaut, wie sich die Bedürfnisse des Betroffenen/der Betroffenen geändert haben und welche Form der Unterstützung er/sie weiterhin braucht.

Mit dieser neuen Regelung der Erwachsenenvertretung wird endlich auch der UN-Behindertenrechtskonvention voll Rechnung getragen und die Selbstbestimmung von Menschen mit Beeinträchtigungen in den Mittelpunkt gerückt.

Finanzierungsloch?
Der Prozess, der dem nun vorliegenden Erwachsenenschutzgesetz vorausgegangen ist, war beispielgebend. Vor allem die Einbeziehung der Betroffenen selbst machte aus dem Vorhaben das, was es heute ist. Damit die verankerten Ziele und formulierten Maßnahmen auch tatsächlich umgesetzt werden können, braucht es eine ausreichende Finanzierung. Die benötigten Mittel wurden im Vorfeld von ExpertInnen mit rund 16 Millionen Euro bemessen. Im Gesetzesentwurf, der dem Parlament übermittelt wurde, sind jedoch nur noch 11 Millionen Euro zur Umsetzung vorgesehen.

Mittelfristig weniger Geld für deutlich mehr Leistungen ist eine besorgniserregende Entwicklung, die bereits von der Richterschaft kritisiert wurde. Gerichte und Sachwaltervereine bekommen mehr Aufgaben übertragen, die mehr Personal benötigen, um gut – im Sinne der Betroffenen – bewältigt zu werden. Doch spätestens ab 2020 tut sich für die Vereine ein Finanzierungsloch auf. Die neuen Aufgaben, wie beispielsweise verpflichtendes Clearing, Beratungsgespräche für Betroffene oder Erstellen von Vorsorgevollmachten, können mit den dann vorgesehenen finanziellen Mitteln wohl nicht erfüllt werden.

Der derzeit vorliegende Finanzierungsplan lässt an der Umsetzbarkeit der Sachwalterrechtsreform zweifeln. Denn die gewünschten Effekte werden innerhalb weniger Jahre nicht erreichbar sein, wohingegen zusätzlich benötigtes Personal bereits ab 2020 schrittweise wieder abgebaut werden soll.

 

Weitere Informationen zum Thema:

Beim Infotag der ÖAR (Thema Partizipation) hat Dr. Peter Barth (Justizministerium) über den Entstehungsprozess des Erwachsenenschutzgesetzes referiert. Martin Ladstätter (BIZEPS) hat mitgefilmt und diesen Vortrag auf seiner Website veröffentlicht.
Präsentation von Dr. Peter Barth

Der ORF hat ein interessantes Dossier zu den Neuerungen des Erwachsenenschutzgesetzes zusammengestellt.

Unter dem Titel: „Ein Skandal wird dreißig - Sachwalterschaft: Warten auf die Reform“ erschien im Wiener „Augustin“, Nr. 430, ein umfangreicher Artikel zum Thema. 

Die Regierungsvorlage klammert die Erweiterung des Anwendungsbereichs des Heimaufenthaltsgesetzes auf Einrichtungen zur Pflege und Erziehung Minderjähriger aus finanziellen Gründen gänzlich aus. Mehr dazu: Gleicher Rechtsschutz für alle Kinder und Jugendlichen