Das Gesetz soll später in Kraft treten
Mitte Februar hieß es plötzlich, das Erwachsenenschutzgesetz wird wegen fehlender Budgetmittel erst 2020 oder 2021 starten. Die Budgetverhandlungen zwischen Justiz- und Finanzministerium seien abgeschlossen, und für die Umsetzung des Gesetzes konnten keine finanziellen Mittel gewährleistet werden. Eine völlig überraschende Wendung für die Betroffenen, aber auch Organisationen wie VertretungsNetz, die seit vielen Monaten mit der Vorbereitung der Umsetzung des neuen Gesetzes befasst sind.
Mehr Autonomie, Selbstbestimmung und unterstützte Entscheidungsfindung – das sind die Versprechen des neuen Erwachsenenschutzgesetzes für Menschen mit psychischen und intellektuellen Beeinträchtigungen. Es sind aber auch Standards der UN-Behindertenrechtskonvention, die nach einer verheerenden Staatenprüfung im Jahr 2013 endlich auch in Österreich Einzug halten sollten. Aus diesem Grund wurde gemeinsam mit BetroffenenvertreterInnen ein neues Gesetz entwickelt, welches das in Kritik geratene 30 Jahre alte Sachwalterrecht ablösen sollte. Ursprünglich sollte der Beschluss Ende 2016 im Parlament erfolgen. Tatsächlich ist es dann März 2017 geworden. Er erfolgte damals einstimmig, nachdem im Vorfeld die Bedeutung des Gesetzes von allen Fraktionen hervorgestrichen wurde. Auch auf fachlicher Ebene wurde die Reform umfassend begrüßt.
Finanzierung der Umsetzung
„Mit dem Parlamentsbeschluss erfolgte für uns der Startschuss, die Überlegungen zur Umsetzung des Gesetzes zu konkretisieren: Welche Kompetenzen braucht es? Wie viele neue Stellen? Wie müssen Abläufe aussehen, um Betroffene künftig noch besser unterstützen zu können?“, erinnert sich Fachbereichsleiter Sachwalterschaft Christian Aigner an diese Anfangsphase. Doch immer noch waren diese Überlegungen von der ausstehenden Finanzierungszusage begleitet. Erst im Juni 2017 konnten die damaligen Justiz- und Finanzminister diesbezüglich eine Einigung erzielen. Eine Einigung, die jedoch über das Jahr 2017 hinaus keinen Bestand hatte.
Verzögerungstaktik unangebracht
„Bei einem Termin im Justizministerium wurde gegenüber den Sachwalter- und Bewohnervertretungsvereinen erstmals geäußert, dass das Inkrafttreten des Erwachsenenschutzgesetzes verschoben würde, weil das Geld für die Umsetzung nicht vorhanden sei“, kommentiert Aigner die aktuellen Entwicklungen. Doch das Hinauszögern des Erwachsenenschutzgesetzes um zwei oder drei Jahre wäre ein vollkommen falsches Signal. Denn die Reform des Sachwalterrechts ist dringend nötig. „Eine Vielzahl von Menschen hat bereits auf die neuen Möglichkeiten des Erwachsenenschutzgesetzes gebaut. Nicht nur jene 60.000 Personen, für die schon jetzt eine Sachwalterschaft besteht, sondern auch jene, die durch die verschiedenen Vertretungsmöglichkeiten von dem neuen Gesetz profitieren könnten. Dabei denke ich zum Beispiel an die vielen Angehörigen und älteren Menschen mit demenzieller Erkrankung, denen die Lösungen des Gesetzes durch ein Verschieben vorenthalten würden“, beschreibt Christian Aigner die Tragweite dieser Entscheidung.
Kinderrechte auf Eis gelegt
Im Zuge des 2. Erwachsenenschutzgesetzes sollten auch Änderungen im Heimaufenthaltsgesetz erfolgen. Die Bewohnervertretung sollte künftig auch in Einrichtungen zur Pflege und Erziehung Minderjähriger Kontrollen von Freiheitsbeschränkungen an Kindern und Jugendlichen vornehmen können. „Hier werden Zukunftschancen von jungen Menschen verspielt. Denn die Arbeit der Bewohnervertretung in diesem Bereich wird dringend gebraucht“, warnt Fachbereichsleiterin Bewohnervertretung Susanne Jaquemar eindringlich davor, auf die Rechte von Kindern und Jugendlichen zu vergessen.
Appell an die Regierung
Susanne Jaquemar und Christian Aigner appellieren daher an die Regierung, an dem ursprünglichen Termin für das Erwachsenenschutzgesetz festzuhalten. „Es geht darum, eine zeitgemäße Form der Unterstützung anzubieten und auf die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen einzugehen.“