VertretungsNetz kritisiert das Nachfolgemodell der Mindestsicherung
Die (Wieder-) Eingliederung in das Erwerbsleben ist eines der zentralen Ziele des Entwurfs des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes. Dieses soll die Leistungen der Mindestsicherung künftig wieder bundesweit einheitlich regeln. Die genaue Ausgestaltung liegt jedoch weiter in der Kompetenz der Länder. Das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz legt die Rahmenbedingungen und Höchstwerte für die jeweiligen Leistungen fest.
Für Christian Aigner, Fachbereichsleiter Erwachsenenvertretung von VertretungsNetz, geht der Gesetzesentwurf in eine völlig falsche Richtung. Anlässlich einer Pressekonferenz der Armutskonferenz am 09.01.2019 erklärte er, warum: „Wir vertreten Menschen mit psychischer Erkrankung oder intellektueller Beeinträchtigung. Für sie war bislang die Mindestsicherung eine sehr wesentliche Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention. Das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz stellt diese Lebensgrundlage nun in Frage. Plötzlich werden alle Bezieherinnen und Bezieher der Sozialhilfe in einen Topf geworfen, und es wird von allen erwartet, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen. Für viele unserer Klientinnen und Klienten ist jedoch gerade das beim besten Willen nicht möglich. Wovon sollen sie also künftig leben?“
Almosen statt Selbstbestimmung
Die Sozialhilfe soll 12-mal pro Jahr ausgezahlt werden. Sonderzahlungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld gibt es nicht. Wohnkosten sollen als Sachleistung abgegolten, also nicht in Geld ausbezahlt werden. Die Länder haben in der landesgesetzlichen Ausgestaltung die Möglichkeit, die festgelegten Höchstwerte zu unterschreiten. „Früher sind wir von einem Mindestbetrag ausgegangen, den ein Mensch zum Leben braucht. Und das fiel schon nicht sehr üppig aus. Im Sozialhilfe-Grundsatzgesetz rückt man von diesem Mindest-Prinzip ab und unterläuft es“, erläutert Christian Aigner den grundsätzlichen Wandel bei der Absicherung des Lebensnotwendigsten.
Für Menschen mit Beeinträchtigungen verschärft sich die Situation noch mal. Denn sie haben häufig erhöhte Kosten, um den alltäglichen Lebensbedarf absichern zu können. Kosten, die andere Sozialhilfe-BezieherInnen nicht haben und die nicht durch Pflegegeld oder ähnliches gedeckt sind. „Unsere Klientinnen und Klienten haben häufig zusätzlichen Unterstützungsbedarf für eine selbstbestimmte Lebensführung. Um diese Kosten bestreiten zu können, müssen sie nun wohl regelmäßig als BittstellerInnen auftreten und hoffen, dass sich da irgendwo eine Geldquelle auftut.“
Armut wird in Kauf genommen
Menschen mit Beeinträchtigungen haben ein vielfach höheres Risiko, von Armut betroffen zu sein. Die Mindestsicherung sollte hier ursprünglich Abhilfe schaffen, indem sie zumindest das Lebensnotwendigste absicherte.
Mit dem Sozialhilfe-Grundsatzgesetz ändert sich nun dieses Verständnis. Höchstwerte können jederzeit unterboten werden. „Die Verunsicherung bei den Betroffenen ist groß. Denn für viele von ihnen geht es um ihre Existenz. Armut wird so nicht mehr vorgebeugt, sondern sie wird sogar in Kauf genommen.“, beschreibt Christian Aigner die Situation vieler betroffener Menschen.
Links:
Stellungnahme von VertretungsNetz zum Gesetzesvorhaben, Jänner 2018