VertretungsNetz fordert gesetzliche Änderung: Die Entschädigung muss den Betroffenen bleiben.
Eine Heimopferrente soll Menschen entschädigen, die als Kinder oder Jugendliche in einem Heim oder einer psychiatrischen Abteilung psychische und/oder körperliche Gewalt erfahren haben. Denn nicht selten konnten sie aufgrund der traumatischen Erfahrungen später nicht oder nur eingeschränkt erwerbstätig sein. Die Heimopferrente von derzeit ca. 370 Euro im Monat soll helfen, ihren Lebensunterhalt abzusichern. Dieses Geld darf laut gesetzlicher Regelung nicht als Einkommen gewertet und abgezogen werden, wenn man auf Mindestsicherung oder Sozialhilfe angewiesen ist.
Doch nicht in allen Fällen bleibt die Rente dem Heimopfer: VertretungsNetz – Erwachsenenvertretung vertritt eine Dame, die eine Heimopferrente als Nachzahlung erhalten hat. Die Nachzahlung ergab sich aus der langen Verfahrensdauer und weil die Rente rückwirkend gewährt wurde. Die Sozialabteilung der Stadt Wien verlangte von der Frau sogleich, das Geld zur Rückzahlung von erhaltenen Beträgen aus der Mietbeihilfe zu verwenden. Es handle sich nämlich bei der Nachzahlung um kein laufendes Einkommen, sondern um ein Vermögen.
VertretungsNetz brachte den Fall – leider erfolglos – vor den Verwaltungsgerichtshof, konnte aber immerhin bewirken, dass aufgrund der Beschwerde in Wien nun das Mindestsicherungsgesetz so präzisiert wird, dass Nachzahlungen aus einer Heimopferrente künftig nicht mehr einkassiert werden. Das hilft Betroffenen aus anderen Bundesländern aber leider nicht.
„Es braucht dringend eine Änderung im Heimopferrentengesetz. Die Heimopferrente ist eine Entschädigung für erlittenen institutionellen Zwang. Es ist unfassbar, dass den Opfern das Geld wieder weggenommen wird, wenn sie es in Form einer Nachzahlung erhalten“, zeigt sich Martin Marlovits, stv. Fachbereichsleiter Erwachsenenvertretung bei VertretungsNetz empört. „Für die Dauer von behördlichen Abläufen können ja schließlich die Antragsteller:innen nichts.“
Auch wenn man Beträge aus der Heimopferrente anspart, gilt das nach derzeitiger Judikatur als Vermögen. Es muss, abzüglich eines Freibetrags, abgegeben werden, wenn man Sozialhilfe bzw. Mindestsicherung bezieht. „Das ist doch absurd: Warum darf ich aus einer rechtmäßig erhaltenen Entschädigung für erlittene Gewalt nichts zurücklegen, für den Fall, dass etwa eine hohe Rechnung für Gesundheitsleistungen fällig wird oder ich bei einem Umzug eine Wohnungskaution hinterlegen muss?“ kritisiert Marlovits.
„Außerdem kennen wir aus der Erwachsenenvertretung Personen, die eine Mindestpension und eine Heimopferrente beziehen und die trotz ihres geringen Einkommens früheren Ehegatt:innen gegenüber unterhaltspflichtig sind. In die Bemessungsgrundlage für die Unterhaltshöhe wird die Heimopferrente voll einbezogen. Es geht hier meist um geringe Beträge, die aber armutsbetroffene Menschen ganz empfindlich belasten“, weiß Marlovits.
VertretungsNetz versuchte als Erwachsenenvertreter eines unterhaltspflichtigen Tirolers über eine Revision beim Obersten Gerichtshof (OGH) eine Klarstellung zu erwirken, dass dessen Heimopferrente nicht in die Bemessungsgrundlage für den Ehegattenunterhalt einbezogen werden darf. Leider hat der OGH der Revision nicht Folge gegeben.
„Die einzige Möglichkeit ist eine gesetzliche Änderung. Wir schlagen eine Bestimmung im Heimopferrentengesetz vor, dass die Rente – egal ob als monatliche Leistung, als Nachzahlung oder als ersparter Betrag – dem Opfer in voller Höhe bleibt und ihm nicht mehr genommen werden darf. Weder darf ein Sozialhilfebezug durch die Rente geschmälert noch eine Unterhaltsverpflichtung erhöht werden,“ fasst Marlovits zusammen. Gelegenheit zu einer gesetzlichen Änderung gäbe es: Für dieses Jahr sind ohnehin zwei Novellen des Heimopferrentengesetzes geplant.
Link:
Stellungnahme VertretungsNetz zum Heimopferrentengesetz, Dezember 2022
OTS, 26.01.2023: Heimopferrente: Wie gewonnen, so zerronnen?