Wie muss man sich die Arbeit als Bewohnervertreter:in vorstellen? Tobias Iro vom Standort Wels berichtet von seiner Arbeit.
Ein typischer Arbeitstag beginnt für mich im Büro, wo ich mich kurz mit meinen Kolleg:innen austausche und den Stand der aktuell gemeldeten Freiheitsbeschränkungen prüfe. Freiheitsbeschränkungen sind Maßnahmen, mit denen verhindert wird, dass ein:e Bewohner:in einen Ort, beispielsweise einen Wohnbereich oder eine Sitzgelegenheit, verlässt bzw. wenn sie:er generell in ihrer:seiner Bewegung beschränkt wird. Dann bereite ich meinen Außendienst vor: Ich lege fest, welche Einrichtung und welche gemeldeten Maßnahmen von mir heute überprüft werden.
Vor Ort in der Einrichtung spreche ich dann sowohl mit dem Personal als auch den Bewohner:innen, um mir ein möglichst umfassendes Bild von der Situation zu verschaffen: Warum kam es zu der freiheitsbeschränkenden Maßnahme? Ist sie gerechtfertigt oder sollten gelindere Mittel zum Einsatz kommen? Stelle ich bei den freiheitsbeschränkenden Maßnahmen vielleicht sogar einen Antrag auf gerichtliche Überprüfung? Ganz wichtig ist für mich der persönliche Kontakt und Eindruck von der betroffenen Person – auch wenn nicht immer eine direkte Kommunikation möglich ist, werden viele Signale über Mimik und das gesamte Setting ausgesendet. In Unterlagen wie z. B. die Pflege- und Betreuungsdokumentation nehme ich vor Ort Einsicht oder lasse sie mir digital übermitteln. Nach meiner Rückkehr ins Büro halte ich meine Eindrücke des Überprüfungsbesuchs in unserem Dokumentationsprogramm fest.
Meine Arbeit ist also eine Mischung aus Büroarbeit und unterwegs sein. Da ich gerne selbstständig arbeite, schätze ich es, dass ich mir meinen Arbeitsalltag, bis auf ein paar Fixpunkte wie die Teambesprechungen, selbst einteilen kann.
Es hat sich letztens eine Einrichtung gemeldet, weil sie einem Bewohner die Zimmertüre von außen versperren wollte – eine massive freiheitsbeschränkende Maßnahme. Im Laufe unseres Gesprächs zeigte sich dann aber, dass es sehr wohl gelindere Maßnahmen gab, an die das Heimpersonal noch nicht gedacht hatte. Letztendlich wurde der Herr also nicht in seinem Zimmer eingesperrt. Wenn man durch kooperative Gespräche unkompliziert bessere Lösungen für die Bewohner:innen findet, dann freut mich das sehr.
Aber auch wenn es zu einem Gerichtsverfahren über die Zulässigkeit einer Freiheitsbeschränkung kommt, kann das ein Gewinn für alle Beteiligten werden. So führte eines meiner letzten Verfahren schlussendlich zu mehr Personalressourcen in einer Einrichtung – was sowohl den Bewohner:innen als auch dem Personal zu Gute kam.
Unsere Tätigkeit ist sehr abwechslungsreich, weil wir sowohl mit verschiedensten Feldern des Sozialbereichs in Berührung kommen als auch mit der Justiz im Rahmen der gerichtlichen Überprüfungen. Insofern ist man in der Bewohnervertretung mit einem Hintergrund in Pädagogik genauso gut aufgehoben wie als Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegekraft oder als Jurist:in.
Mitbringen sollte man auf jeden Fall ein gewisses Maß an Konfliktfähigkeit und Standfestigkeit. Wir sind nicht immer der gern gesehene „Besuch“. Es kann durchaus vorkommen, dass eine Situation emotional wird oder man verbalen Angriffen ausgesetzt ist. Das muss man erst einmal aushalten können. Wichtig ist in dem Fall die eigene Psychohygiene. Wer will, kann sich daher immer mit den einzelnen Kolleg:innen oder im Team austauschen oder Supervision in Anspruch nehmen. Für mich persönlich ist zum Beispiel die Zeit im Auto auf den teilweise langen Wegen zwischen den Einrichtungen eine gute Gelegenheit, Erlebtes Revue passieren zu lassen.
Die Vorbereitungsphase für Neueinsteiger:innen ist bei VertretungsNetz genau strukturiert. Man durchläuft ein dreiwöchiges Curriculum, das die neuen Mitarbeiter:innen in den Grundlagen der Arbeit schult, man wird in das vereinsinterne EDV-Programm eingeführt und erhält eine:n persönliche:n Mentor:in direkt am Standort. Zusätzlich nehmen einen von Beginn an die Kolleg:innen mit auf Außendienst, um so einen Eindruck der Arbeit in den Einrichtungen zu erhalten. Gleichzeitig ist die kollegiale Zusammenarbeit im Büro essentiell, da über diesen Austausch und die wöchentlichen Teambesprechungen viel Wissen transportiert wird. Weil wir ein multiprofessionelles Team sind, kann jede:r von der Expertise der:des anderen lernen und profitieren.
Die Einschulungsphase ist im Fachbereich Bewohnervertretung auch deshalb so intensiv, da unsere Arbeit sehr viel Eigenständigkeit mit sich bringt. Hat man die Startphase durchlaufen, arbeitet man als Bewohnervertreter:in sehr selbstständig, um sich für die persönliche Freiheit der Bewohner:innen einzusetzen.