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Eine Hand schiebt einen bunten Stein in die Lücke zwischen andere bunte Steine

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04.05.2022

Inklusion ermöglichen – eine Pflicht des Staates

VertretungsNetz fordert anlässlich des Europäischen Protesttags zur Inklusion am 5. Mai, die Lücken bei Unterstützungsleistungen und sozialer Absicherung zu schließen.

Schon 2008 hat Österreich die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) unterzeichnet. Viele Gesetze, Verordnungen und Richtlinien des Bundes und der Länder sind trotzdem noch immer nicht konform oder verhindern sogar eine selbstbestimmte Lebensführung von Menschen mit Beeinträchtigungen. Das Erwachsenenschutzgesetz gilt jedoch, was die Selbstbestimmung von Menschen mit Beeinträchtigung betrifft, als ein Meilenstein. Eine wesentliche Errungenschaft: Die Geschäftsfähigkeit Betroffener wird nicht mehr automatisch beschränkt. Personen mit Erwachsenenvertretung können am Rechtsverkehr teilnehmen wie jede/r andere auch.

Doch ohne gesellschaftliches Umdenken ist Inklusion nicht möglich: Haftungsängste, Sicherheitsdenken, aber auch die Unkenntnis der neuen Rechtslage führen immer noch oft dazu, dass Verträge oder ein Bankkonto verweigert werden, solange Betroffene keine Zustimmung des/der ErwachsenenvertreterIn vorlegen. „Einige Banken kündigen sogar Kontoverträge bestehender KundInnen, sobald ein/e ErwachsenenvertreterIn bestellt wird. Solche diskriminierenden Praktiken lässt VertretungsNetz gerichtlich überprüfen. Man kann nicht einfach gültige Gesetze ignorieren“, so Martin Marlovits, stv. Fachbereichsleiter Erwachsenenvertretung.

Persönliche Assistenz als Türöffner der Selbstbestimmung

Damit der Grundsatz „Selbstbestimmung trotz Stellvertretung“ praktisch umgesetzt werden kann, bräuchte es aber auch einen massiven Ausbau an sozialen Diensten und anderen Unterstützungsleistungen. „Ganz wichtig für die von uns vertretenen Menschen wäre ein einheitliches, bedarfsgerechtes Angebot an Persönlicher Assistenz, unabhängig von der Art der Behinderung und vom Wohnort“, erläutert Marlovits.

Derzeit sind Menschen mit „geminderter Entscheidungsfähigkeit“ von persönlicher Assistenz ausgeschlossen. Dabei wäre die Hilfe im Alltag ein Türöffner für ein selbstbestimmtes Leben nach den eigenen Wünschen und Vorstellungen. „Persönliche Assistenz ist ein Kernelement der von Österreich ratifizierten UN-BRK. Es handelt sich also um die Pflicht des Staates, den Zugang zu dieser Unterstützung auch zur Verfügung zu stellen“, erinnert Marlovits.

Sozialstaatliche Absicherung fehlt

Wer aufgrund von intellektueller oder psychischer Beeinträchtigung arbeitsunfähig und ohne Vermögen ist, muss sein Einkommen meist aus vielen Mini-Geldleistungen wie Pflegegeld, Sozialhilfe und Waisen-, Invaliditäts- bzw. Berufsunfähigkeitspension mit oder ohne Ausgleichszulage zusammenstoppeln. „Leider ziehen die Sozialbehörden armutsbetroffenen Menschen jeden noch so kleinen zusätzlichen Geldbetrag von der Sozialhilfe ab, sei es nun Wohnbeihilfe, eine Sonderzahlung aus einer Mindestpension oder Taschengeld aus einer Beschäftigung. Sogar der „Teuerungsausgleich“ gegen die hohe Inflation wird kassiert“, kritisiert Marlovits.

Peter Schlaffer, Geschäftsführer von VertretungsNetz, stellt klar: „Behinderung ist keine vorübergehende Notlage. Deshalb braucht es endlich eine bundesweit einheitliche sozialstaatliche Absicherung für Menschen, die aufgrund intellektueller Beeinträchtigung oder psychischer bzw. demenzieller Erkrankung ihren Lebensunterhalt nicht durch Erwerbsarbeit sichern können“. Ein eigener sozialversicherungsrechtlicher Anspruch auf Unfall-, Kranken- und Pensionsversicherung muss damit verbunden sein.

Ein Recht auf soziale Sicherheit?

„Außerdem müssen soziale Rechte wie existenzielle Mindestversorgung, Pflege und Wohnen endlich in den Grundrechtskatalog der österreichischen Verfassung aufgenommen werden“, skizziert Schlaffer eine Vision, die keine Utopie bleiben muss: Die Armutskonferenz hat unter Mitarbeit von VertretungsNetz schon einen detaillierten Entwurf für ein „Verfassungsgesetz soziale Sicherheit“ vorgelegt. Damit würde eine menschenrechtliche Lücke geschlossen und selbstbestimmtes Leben besser ermöglicht. Schlaffer betont: „Inklusion im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention heißt, die Rahmenbedingungen zu schaffen, die allen Menschen eine gleichberechtigte Teilhabe ermöglichen."