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10.04.2025

Kein Sparstift bei sozialer Absicherung von Menschen mit Behinderungen!

Pressekonferenz der Armutskonferenz: VertretungsNetz fordert faire Sozialhilfegesetze und Unterhaltsreform

VertretungsNetz setzt sich als Erwachsenenschutzverein für die Grundrechte von Menschen mit psychischen oder intellektuellen Beeinträchtigungen ein. „Viele Punkte im Regierungsprogramm sind für die von uns vertretenen Menschen sehr wichtig – etwa die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, Deinstitutionalisierung, verbesserter Gewaltschutz für Menschen mit Behinderungen, Evaluierung von Gesetzen, mehr Barrierefreiheit im Web, aber auch das Recht auf analoge Ansprechpartner:innen“, zeigt sich Gerlinde Heim, Geschäftsführerin von VertretungsNetz, erfreut über die angestrebten Pläne.

Abzuwarten bleibt jedoch, ob die guten Absichten auch umsetzbar sind. Denn für viele Themen sind die Bundesländer zuständig. Und diese sehen sich für die UN-Behinderten­rechts­konvention oft nicht in der Verantwortung. „Vielerorts wird der Ausbau von Unterstützungs­leistungen wie etwa der persönlichen Assistenz als ‚nice to have‘ gesehen, und nicht als verbrieftes Recht, welches umzusetzen ist. Das geht zulasten der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen“, konstatiert Heim im Rahmen einer heutigen Pressekonferenz der Armutskonferenz.

Reparatur der Sozialhilfegesetze

Menschen mit Behinderungen haben ein signifikant höheres Risiko, von Armut betroffen zu sein. Was VertretungsNetz aktuell besonders Sorgen bereitet: „Viele Menschen, die wir vertreten, beziehen Sozialhilfe, weil sie aufgrund ihrer Beeinträchtigung nicht arbeiten können. Zusätzlich ist die ‚erhöhte Familienbeihilfe‘ für viele ein wichtiger Einkommens­bestandteil. Die Leistung steht unter bestimmten Umständen auch erwachsenen Menschen mit Behinderungen zu und hat den klaren Zweck, Mehrkosten aufgrund einer Behinderung abzufedern“, erklärt Heim.

Im Regierungsprogramm wird nun aber angekündigt, die Familienbeihilfe künftig auf die Sozialhilfe anzurechnen und damit abzuziehen. Offen bleibt, ob das auch für die erhöhte Familienbeihilfe gilt. „Die erhöhte Familienbeihilfe ist für die Absicherung des Lebensunterhalts ganz wichtig und oft das Zünglein an der Waage: Geht sich ein selbstbestimmtes Leben außerhalb einer Wohneinrichtung für Betroffene finanziell aus oder nicht? Hier darf es auf keinen Fall zu Verschlechterungen kommen“, warnt Heim.

Gleichzeitig braucht es dringend weitere Reformen und Reparaturen: „Erst kürzlich hat der Verwaltungsgerichtshof bestätigt, dass ein Sozialamt gesetzeskonform gehandelt hat, als es einem unserer Klienten die Sozialhilfe gestrichen hat. Warum? Weil dieser eine private Spende für ein Bett und einen Kühlschrank erhalten hat. Ich denke, das zeigt ganz deutlich, wie wenig das derzeitige Gesetz Härtefälle abfedert und Armut wirksam bekämpft.“

Niemand sollte lebenslang abhängig von den Eltern bleiben müssen

Die geplante sozialversicherungsrechtliche Absicherung von Personen, die trotz ihrer Beeinträchtigung arbeiten können, aber nicht adäquat entlohnt werden – Stichwort „Lohn statt Taschengeld“ – wäre ein Meilenstein. Es ist höchste Zeit: „Denn es ist ein Skandal, dass Menschen mit intellektuellen oder psychischen Beeinträchtigungen in Österreich lebenslang auf ihre Familie angewiesen bleiben. Angehörige stürzen oft mit in die Armutsfalle, weil sie aufgrund von Pflege- und Betreuungspflichten nur begrenzt arbeiten können“, so Heim.

„Wichtig wäre auch, die Unterhaltspflicht für Eltern mit dem 25. Lebensjahr des Kindes zu begrenzen, wenn zu erwarten ist, dass das Kind aufgrund einer Behinderung nicht selbsterhaltungsfähig wird. Denn derzeit müssen viele unserer – längst erwachsenen - Klient:innen finanziellen Unterhalt sogar gerichtlich bei den Eltern geltend machen. Das belastet und beschämt.“ Die Pläne für eine Änderung waren in der letzten Legislatur­periode schon weit gediehen, gerieten aber ins Stocken. Heim hofft nun auf einen neuen Anlauf.

Soziale Rechte besser absichern

Um soziale Lücken zu schließen, bräuchte es aber mehr, appelliert Gerlinde Heim: „Die Verfassung muss um soziale Menschenrechte erweitert werden, gerade jetzt, wo wir vor so großen gesellschaftspolitischen Herausforderungen stehen. Soziale Sicherheit, Pflege, Wohnen: Das alles sind wichtige Zukunftsthemen, die man nicht der Tagespolitik überlassen sollte. Der geplante Verfassungskonvent würde die große Chance bieten, das Thema jetzt anzugehen.“