Jede Freiheitsbeschränkung muss an die Bewohnervertretung gemeldet werden.
Seit 1. August gilt in Zusammenhang mit Covid-19 keine verpflichtende Quarantäne mehr. Wird man nun positiv auf SARS CoV-2 getestet, gelten automatisch sogenannte „Verkehrsbeschränkungen“. Absonderungsbescheid gibt es keinen mehr. Das gilt auch für Bewohner:innen von Pflegeeinrichtungen. Sie dürfen nicht umfangreicher beschränkt werden als die sonstige Bevölkerung. Freiheitsbeschränkungen wie z.B. die Anordnung, im Zimmer zu bleiben, können nur mehr nach den strengen Vorrausetzungen des Heimaufenthaltsgesetzes vorgenommen werden. „Zimmer-Isolierungen sollten damit ein Ende haben. Die Bewohnervertretung wird dies bei ihren Besuchen in den Einrichtungen genau prüfen“, erklärt Grainne Nebois-Zeman, stv. Fachbereichsleiterin Bewohnervertretung bei VertretungsNetz.
Effektive organisatorische und räumliche Schutzmaßnahmen werden nötig sein, damit Heimbewohner:innen – wie die sonstige Bevölkerung – auch im Krankheitsfall die größtmögliche Freiheit nutzen können und trotzdem Ansteckungen verhindert werden. Einrichtungsleitungen müssen demnach Vorkehrungen treffen, um einen Kontakt zwischen infizierten und nicht infizierten Bewohner:innen zu verhindern – eine Herausforderung.
„Das ist aber wichtig. Wir haben bei unseren Besuchen in manchen Einrichtungen erlebt, dass Bettnachbar:innen von Covid-positiven Bewohner:innen in Doppelzimmern einfach präventiv mit-isoliert wurden. Dies obwohl sie negativ getestet und als Geimpfte nicht quarantänepflichtig waren, also auch kein Absonderungsbescheid vorlag“, schildert Nebois-Zeman. VertretungsNetz brachte diese Fälle im vergangenen Jahr vor Gericht, mit dem Ergebnis: Die Freiheitsbeschränkungen durch Mit-Isolierungen waren unzulässig.
Gemäß der neuen Verordnung dürfen nun auf Covid positiv Getestete den privaten Wohnbereich verlassen, sie müssen aber außerhalb bzw. bei Kontakt mit anderen Personen eine FFP 2-Maske tragen. Wohnt man in einem Pflegeheim, gilt dies wohl außerhalb des eigenen Zimmers, z.B. im Aufenthaltsraum.
Doch ein großer Anteil der Bewohner:innen in Alten- und Pflegeheimen ist demenziell erkrankt. Manche sind körperlich noch sehr mobil, können aber erkrankungsbedingt keine Maske tragen bzw. verstehen nicht, dass sie durch ihre Erkrankung andere Menschen gefährden können. „Wir befürchten, dass solche Bewohner:innen weiterhin sicherheitshalber auf das eigene Zimmer beschränkt werden, wenn es keine eigene Covid-Station gibt.“
„Wir haben momentan viele Anfragen von Pflegeeinrichtungen, was in solchen Fällen rechtlich gilt“, so Nebois-Zeman. „Wichtig ist: Jede Freiheitsbeschränkung – auch bei positiv auf Covid-19 getesteten Bewohner:innen – ist an die Bewohnervertretung zu melden. Epidemierechtlich gibt es für derartige Rechtseingriffe keine Basis mehr.“
Klar ist, dass eine räumliche Trennung positiv getesteter Personen nicht zu einer Isolation im Sinne einer Absonderung führen darf. Die Einrichtungsleitung muss also sicherstellen, dass auch positiv getestete Bewohner:innen grundsätzlich ihr Zimmer, ihre Station oder auch die Einrichtung verlassen können, wenn sie das wollen. Das zu verweigern oder gar sicherheitshalber Zimmer oder Eingangstüren abzuschließen, weil das Personal für die Betreuung nicht zur Verfügung steht, darf nicht sein.
Die Bewohnervertretung warnt seit langem, dass eine bedürfnisgerechte Pflege und Betreuung aufgrund von Personalmangel oft nicht mehr erfüllt werden kann und beobachtet damit zusammenhängend einen Anstieg an Freiheitsbeschränkungen. Hier muss endlich mit mehr Ressourcen gegengesteuert werden. Letztlich geht es um die Würde von alten und betreuungsbedürftigen Menschen, stellt Nebois-Zeman klar: „Man kann nicht sagen, wir setzen jetzt leider mal eben die Grundrechte aus, weil das Personal fehlt.“
Links