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eine alte Frau öffnet eine leere Geldbörse, man sieht ihren Oberkörper und Hände

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29.08.2025

Land Tirol nimmt Heimbewohner:innen die erhöhte Familienbeihilfe

Armut durch Umzug ins Heim? VertretungsNetz fordert Änderungen bei Kostenbeitrag und "Taschengeld".

Lange Zeit hatte Monika Hauser ihr Leben trotz Beeinträchtigungen und Erkrankungen selbst gemeistert und in einer Mietwohnung mit Betreuung gelebt. Finanziell war die Lage zwar immer angespannt. Doch mit einer Waisenpension plus Ausgleichszulage, der erhöhten Familienbeihilfe und dem Pflegegeld konnten Fixkosten, Betreuung und Lebensbedarf abgesichert werden. 

Eine Erwachsenenvertreterin von VertretungsNetz unterstützte Fr. Hauser, die in Wirklichkeit anders heißt, in finanziellen Angelegenheiten. Die Alltagsgeschäfte erledigte Frau Hauser selbst und hatte – so wie im Erwachsenenschutzgesetz vorgesehen – ein eigenes Alltagskonto bei der Bank. Auf diesem sparte sie auch selbständig kleine Beträge an, etwa um ihrer Enkelin oder ihren Kindern kleine Geschenke zu kaufen.

Übersiedlung wird notwendig

Aufgrund des steigenden Betreuungs- und Pflegebedarfs rieten die Betreuungsdienste Fr. Hauser jedoch, in eine Innsbrucker Pflegeeinrichtung zu übersiedeln, womit sie auch einverstanden war. Der Umzug klappte gut, und Fr. Hauser freute sich über neue Möglichkeiten, an Gruppenaktivitäten teilzunehmen – etwas, das sie viele Jahre nicht mehr erlebt hatte.

Die Finanzierung eines Heimplatzes ist fast nie aus Eigenmitteln möglich, meist bedarf es der Unterstützung aus der Sozialhilfe. Bis zu 80 % des eigenen Einkommens und des Pflegegeldes sind laut Gesetz einzusetzen, der Rest bleibt den Bewohner:innen als „Taschengeld“. Auch Frau Hauser leistete diese 80 % aus ihrer Waisenpension und dem Pflegegeld. Das Land Tirol forderte jedoch darüber hinaus zusätzlich 100 % der erhöhten Familienbeihilfe (460,50 Euro) – mit dem Argument, dass die Versorgung im Pflegeheim ja zur Gänze gewährleistet sei. 

Wofür Taschengeld im Seniorenheim?

Der Bundesgesetzgeber hat im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) mit der sogenannten „Pensionsteilung“ darauf Bedacht genommen, dass die persönlichen Bedarfe abgesichert bleiben, auch wenn man in ein Pflegeheim übersiedelt. Niemand soll komplett abhängig von einer Einrichtung sein. Man soll weiterhin selbst entscheiden können, welches Hygieneprodukte oder Genussartikel man haben möchte – und dabei unterstützt werden. 

Inhaltlich ist auch unbestritten, dass es den eigenen Verfügungsbedarf braucht. Neben Hygieneprodukten sind etwa Privatkleidung, Schuhe, Friseurbesuche, Fußpflege oder einfach nur der Kuchen im Kaffeehaus selbst zu zahlen – und noch vieles mehr.

Rechtlich ist es komplizierter: Die erhöhte Familienbeihilfe ist gemäß Familienlastenausgleichsgesetz nicht als Einkommen zu qualifizieren und anzurechnen, auch Landesgesetzgeber müssen dies beachten. Der VfGH hingegen hegt keine Bedenken, dass der Betrag herangezogen wird, aber nur dann, wenn der Lebensbedarf vollends durch die Heimunterbringung gesichert ist. 

Vor zwei Jahren erwirkte VertretungsNetz in einem Kärntner Fall eine folgenreiche OGH-Entscheidung: Das Gericht entschied, dass die erhöhte Familienbeihilfe zur Gänze den Heimbewohner:innen bleiben muss. Das Land Kärnten bezahlte daraufhin allen betroffenen Menschen die einbehaltenen Beträge zurück.

Finanzielle Lücke bleibt 

Obwohl die Erwachsenenvertreterin von Fr. Hauser das Land Tirol auf die Kärntner OGH-Entscheidung hinwies, beharrt man dort auf der Forderung von 100 % der erhöhten Familienbeihilfe als Kostenbeitrag, da sich die Rechtslage des Landes Tirol von der des Landes Kärnten unterscheide. Die Landes-Volksanwaltschaft verweist lediglich auf die Abteilung Pflege und die bisherige Stellungnahme des Landes Tirol. 

Damit bleibt es vorerst dabei: Fr. Hauser muss die erhöhte Familienbeihilfe zur Gänze als Kostenbeitrag abgeben, nicht einmal ein 20-prozentiges „Taschengeld“ daraus wird gewährt. Die Erwachsenenvertreterin überweist die überzogene Forderung unter Vorbehalt. Denn VertretungsNetz wird die nötigen Rechtsmittel neuerlich – und wenn nötig über mehrere Instanzen – durchkämpfen.

Da der Lebensbedarf in der Tiroler Einrichtung eben nicht vollends, sondern nur einrichtungsbezogen abgedeckt wird, muss die Erwachsenenvertreterin für Fr. Hauser immer eine finanzielle Reserve verfügbar halten, für Friseurbesuche, privates Shampoo und Duschgel, kosmetische Pflegemittel als Ergänzung zur medizinischen Pflege, für Kleidung, Schuhe usw. Ob Fr. Hauser heuer wie gewohnt kleine Weihnachtsgeschenke für ihre Kinder und ihre Enkelin kaufen kann, ist fraglich. 

Die erhöhte Familienbeihilfe gibt es inzwischen nur auf dem Papier. In Wirklichkeit bleibt eine Lücke – finanziell, aber auch in Bezug auf Selbstbestimmung und Würde. Denn viele Dinge des täglichen Lebens kann sie sich derzeit nicht leisten. 

Norbert Krammer, Bereichsleiter Erwachsenenvertretung für Tirol betont: „Frau Hauser ist kein Einzelfall. VertretungsNetz vertritt aktuell sieben Heimbewohner:innen, deren erhöhte Familienbeihilfe vom Land Tirol zur Gänze einkassiert wird. Dabei hat diese Leistung den Zweck, behinderungsbedingte Mehrkosten abzufedern und soll ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Die Tiroler Landesregierung ist dringend aufgefordert, die erhöhte Familienbeihilfe den betroffenen Menschen zu lassen – so, wie es auch in anderen Bundesländern geregelt ist.“