Land Salzburg negiert den Grundrechtsschutz durch das Heimaufenthaltsgesetz
Mit 23.11.2020 hat das „Quarantänequartier Wehrle“ mit 22 Plätzen zur Absonderung von BewohnerInnen von Seniorenheimen in Salzburg den Betrieb aufgenommen. Derzeit befinden sich dort 12 Personen. Die Einrichtung wird vom Roten Kreuz in Zusammenarbeit mit der Stadt Salzburg betrieben. Die organisatorischen und finanziellen Rahmenbedingungen werden vom Land Salzburg zur Verfügung gestellt. Zielgruppe sind BewohnerInnen von Senioreneinrichtungen und Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen, für die aufgrund eines positiven COVID-19-Testergebnisses ein sanitätsbehördlicher Absonderungsbescheid ausgestellt wurde und die keine oder nur milde Symptome aber „herausfordernde Verhaltensweisen“ zeigen.
Zusätzliche Absonderung, weil vermeintlich „schwer betreubar“
Menschen, die sich aufgrund ihrer intellektuellen Behinderungen oder dementiellen Erkrankungen nicht an die Absonderung halten können, werden in Salzburg zusätzlich zur Isolation auch noch aus ihrer gewohnten Wohnumgebung gerissen. Dabei gäbe es eindeutig gelindere Mittel, wie beispielsweise zusätzliche personelle Ressourcen und Angebote in den Senioreneinrichtungen zur Verfügung zu stellen. „Das würde ermöglichen, dass Menschen mit einem milden Covid-19-Krankheitsverlauf weiterhin in ihrer gewohnten Umgebung leben und betreut werden könnten“, sagt Erich Wahl, Bereichsleiter Bewohnervertretung von VertretungsNetz in Salzburg und Tirol.
In Salzburg werde stattdessen eine eigene Absonderungseinrichtung eröffnet. Menschen, die als schwierig zu betreuen gelten, werden in ein sogenanntes „Ausweichquartier“ verlegt, obwohl sie nicht im Krankenhaus behandelt werden müssen. „Hier zeigt sich, dass alte Menschen und Menschen mit Behinderungen in Zusammenhang mit COVID-19-Maßnahmen teilweise vollkommen überzogene Eingriffe in ihre Persönlichkeitsrechte hinnehmen müssen. Das ist als eklatante Ungleichbehandlung dieser Menschen zu sehen“, stellt Wahl klar. Eine Ungleichbehandlung, die auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wie er in den jüngsten COVID-19-Verordnungen des Gesundheitsministeriums formuliert ist, widerspricht. Denn Maßnahmen in Alten-, Pflege- und Behinderteneinrichtungen dürfen demnach nicht unverhältnismäßig sein und dürfen zu keinen unzumutbaren Härtefällen führen.
Absonderung und Isolation ohne Rechtschutz
Absolut untragbar ist, dass das Land Salzburg die Ansicht vertritt, dass der Rechtschutz des Heimaufenthaltsgesetzes (HeimAufG) in dieser Einrichtung nicht zur Anwendung kommt. Es hat daher die Einrichtungsleitung angewiesen, Freiheitsbeschränkungen nicht an die Bewohnervertretung zu melden – bei einer Einrichtung, die entsprechend ihrer Konzeptionierung sicher niemand verlassen darf.
„Das Heimaufenthaltsgesetz gilt in allen Pflege- und Betreuungseinrichtungen. Es regelt unter welchen Voraussetzungen Menschen mit Beeinträchtigungen in ihrer Freiheit beschränkt werden dürfen. Ob diese Freiheitsbeschränkungen in Zusammenhang mit COVID-19 stehen oder nicht ist zunächst nicht relevant“, erklärt Erich Wahl. „So wird der Grundrechtsschutz für institutionell betreute Menschen in Österreich sichergestellt.“
Aus Sicht der Bewohnervertretung ist es daher ein Mindeststandard, dass Menschen, die von dieser Maßnahme der Überstellung in eine Absonderungseinrichtung betroffen sind, den gleichen Grundrechtsschutz genießen, den sie auch normalerweise in den Einrichtungen haben, in denen sie betreut werden bzw. leben.
VertretungsNetz ist ein gesetzlich anerkannter Erwachsenenschutzverein. Seit 1980 unterstützen, beraten und vertreten wir Menschen mit psychischer Erkrankung oder intellektueller Beeinträchtigung.