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© KAV/Peter Plundrak
04.09.2019

Neue psychiatrische Abteilung in Wien Floridsdorf: mehr Licht, mehr Raum

Patientenanwaltschaft kritisiert jedoch weiter bestehende Versorgungsdefizite

Schon lange vor der Inbetriebnahme im Juni 2019 eilte der Klinik Floridsdorf (alias KH Nord) medial ein schlechter Ruf voraus – Milliardengrab, schlechte Planung, zahlreiche Fehlinvestitionen, so die unrühmlichen Schlagzeilen. Die Patientenanwaltschaft von VertretungsNetz ist gemeinsam mit den PatientInnen vom Otto-Wagner-Spital (OWS) vor zwei Monaten nach Floridsdorf übersiedelt. Ein Lokalaugenschein zeigt viel Licht, aber auch Schatten in der Wiener Psychiatrie.

„Die PatientInnen profitieren enorm vom Raum- und Ausstattungskonzept“, schildert Patientenanwältin Julia Schnabl einen wesentlichen Pluspunkt der Klinik Floridsdorf. Viel Licht, großzügig geplante Begegnungs- und Rückzugsräume und ein weitläufiger Garten – aber vor allem die Tatsache, dass es hier nur mehr 1- oder 2-Bett-Zimmer gibt, trägt bei vielen PatientInnen zur Stabilisierung des Gesundheitszustands bei. „Wir beobachten, dass die Zahl der Beschränkungen ganz klar rückläufig ist und auch aggressives Verhalten seitens der PatientInnen seltener vorkommt. Besonders gut sehen wir das bei den PatientInnen, die wir schon aus dem OWS kennen, aber auch bei Personen, die neu zwangsweise untergebracht werden“.

Julia Schnabl und ihre Kolleginnen Valerie Baldinger und Laura Fischer werden informiert, sobald jemand zwangsweise auf der psychiatrischen Station der Klinik Floridsdorf untergebracht wird. Nach vier Tagen muss ein Gericht klären, ob die oder der Betroffene weiter gegen ihren bzw. seinen Willen angehalten werden darf. Jede/r PatientIn erhält in diesem Verfahren, das direkt im Krankenhaus abgehalten wird, eine Patientenanwältin oder einen Patientenanwalt als rechtliche Vertretung zur Seite gestellt. Die PatientenanwältInnen sprechen mit den PatientInnen und vertreten sie im gerichtlichen Verfahren. Sie hinterfragen auch weitergehende Beschränkungen wie z.B. Fixierungen, zugesperrte Zimmer und „besondere Heilbehandlungen“ wie Depotspritzen: Sind diese Maßnahmen wirklich notwendig und im Sinn der Patientin oder des Patienten?

Gute Arbeitsbasis
Die Patientenanwältinnen betonen, dass ÄrztInnen und Pflegepersonal der Klinik Floridsdorf von Anfang an auf eine gute und vor allem transparente Zusammenarbeit mit der Patientenanwaltschaft bedacht waren. Als erster Standort von VertretungsNetz erhält die dortige Patientenanwaltschaft Unterbringungsmeldungen von der Station auf elektronischem Weg. Das spart den PatientenanwältInnen und den StationsmitarbeiterInnen administrativen Aufwand, sodass sie mehr Zeit für die Arbeit mit den PatientInnen finden.

Ein weiterer Vorteil in der Krankenhaus-Organisation: „Junge psychiatrische PatientInnen kommen manchmal mit Selbstverletzungen, ältere leiden oft an somatischen Erkrankungen. In solchen Fällen werden dann andere Abteilungen des Krankenhauses eingebunden. Im Otto-Wagner-Spital hingegen mussten PatientInnen zur Akutversorgung oft ins Wilhelminenspital transferiert werden“, erzählt Julia Schnabl.

Manche Versorgungsdefizite bleiben bestehen
Doch nicht alles ist rosig: Patientenanwältin Schnabl wäre als ausgebildete Psychologin eigentlich auch auf Kinder und Jugendliche spezialisiert. Doch die psychiatrische Station für die jungen PatientInnen hat noch immer nicht geöffnet: Die Stadt Wien sucht händeringend nach KinderpsychiaterInnen. „Wir haben jahrelang den Ausbau der Wiener Kinder- und Jugendpsychiatrie gefordert. Es ist tragisch, nun zu sehen, dass die dringend benötigten Betten zwar vorhanden sind, aber – nicht zuletzt wegen einer mangelhaften Personalplanung durch den Krankenhausträger – nicht belegt werden können“, bedauert Bernhard Rappert, Bereichsleiter der Patientenanwaltschaft für Wien, die weitere Verzögerung.

Auch für ältere Menschen gibt es Versorgungsdefizite – und zwar österreichweit. So kommt es auch in der Psychiatrie der Klinik Floridsdorf immer wieder vor, dass an Demenz erkrankte Menschen eingeliefert werden, weil sie, als Folge ihrer schweren Erkrankung, in ihrem Umfeld aggressive bzw. gewalttätige Handlungen gesetzt haben. In der Psychiatrie bleiben sie „zwischengeparkt“, bis ein Pflegeplatz gefunden ist. Und das kann dauern. Die PatientenanwältInnen können nur wenig tun für diese Menschen. „Für die Aufhebung der zwangsweisen Unterbringung fehlt den PatientInnen die nötige Entscheidungsfähigkeit, sie sind oft nicht einmal verbal erreichbar. Die Psychiatrie ist aber der falsche Ort für sie“, beschreibt Julia Schnabl die schwierige Situation.

Bereichsleiter Bernhard Rappert stellt dazu fest: „Die Politik muss hier rasch handeln, weil sich das Problem zusehends –in ganz Österreich – verschärft. Eine psychiatrische Station kann auf lange Sicht keine Pflegeplätze ersetzen“.