Gschöpf bei Enquete der Volksanwaltschaft
Am 8. Juni 2015 hat die Volksanwaltschaft zur Enquete „Sach-
walterschaft –Wohltat, Hilfe, Unterstützung oder Autono-
mieverlust?“ geladen. Mag. Dorothea Gschöpf, Bereichsleiterin in Wien (VertretungsNetz), gab dazu einen Einblick in die Möglichkeiten von Clearing und forderte einen Ausbau von Unterstützungsleistungen.
Volksanwältin Dr. Gertrude Brinek eröffnete die Veranstaltung im Festsaal der Volksanwaltschaft. In ihren Grußworten beklagte sie die kontinuierlich ansteigenden Zahlen von Sachwalterschaften in den letzten Jahren. Das sei nicht nur ein Problem der Justiz, vielmehr brauche es eine aktive Zusammenarbeit von vielen Institutionen, so Brinek. Justizminister Dr. Wolfgang Brandstetter betonte im Anschluss, dass sich das Sachwalterrecht an die gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Jahrzehnte anpassen müsse. Es sei häufig nur eine notgedrungene Hilfestellung, und Alternativen würden oft gar nicht beansprucht werden, bedauerte der Minister. "Das Recht ist für die Menschen da - nicht umgekehrt", schloss Brandstetter.
Clearing großer Erfolg
Interessante Statistiken zu Sachwalterbestellungen präsentierten Dr. Walter Hammerschick und Dr. Hemma Mayrhofer vom Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie (IRKS). Mag. Dorothea Gschöpf stellte das sogenannte Clearing in den Mittelpunkt ihrer Ausführungen. Dieses wird von VertretungsNetz und den VereinssachwalterInnen der übrigen Vereine seit dem Jahr 2007 angeboten - seit zwei Jahren sogar flächendeckend an allen Bezirksgerichten in Österreich. Vereinssach-
walterInnen suchen hierbei im Vorfeld oder im Zuge eines Sachwalterbestellungsverfahrens nach möglichen Alternativen zu einer Sachwalterschaft, klären ab, welche Angelegenheiten zu besorgen sind und ob nahe stehende Personen als SachwalterInnen in Frage kommen. Damit soll der steigenden Zahl von Sachwalterschaften entgegengewirkt und die Autonomie von Betroffenen möglichst lang erhalten werden.
Gschöpf unterstrich in ihrem Vortrag den großen Erfolg von Clearing: „Im Jahr 2014 konnte dadurch in einem Drittel aller Fälle (ca. 37%) eine Sachwalterschaft verhindert werden“. In vielen Fällen sei der Zeitraum des Clearings allerdings zu kurz. Darum wurde gemeinsam mit dem Bundesministerium für Justiz das Projekt „Clearing Plus“ ins Leben gerufen. Bei dieser Unterstützung würden Menschen für einen längeren Zeitraum begleitet, um gemeinsam Alternativen zu finden – damit konnten bisher sogar zwei Drittel der Sachwalterschaftsverfahren eingestellt werden. Die Kapazitäten seien jedoch für einen Regelbetrieb nicht vorhanden, bedauerte Gschöpf und forderte zugleich eine rechtliche Verankerung von „Clearing Plus“.
Forderungen für die Zukunft
Trotz bereits vieler alternativer Hilfen für Betroffene, würden noch immer viele Hürden bestehen, die eine Sachwalterschaft begünstigen. Es gehe beispielsweise um mangelnde Informationen über bestehende Angebote und Ansprüche, eine Überregulierung von Dienstleistungen im Pflegebereich und fehlende Sozialarbeit in den Ländern.
Gschöpf schloss ihren Vortrag mit wesentlichen Forderungen für die Zukunft. Zunächst unterstrich sie die Bedeutung von Barrierefreiheit in unterschiedlichen Bereichen. Angefangen von baulichen Gegebenheiten bis hin zu einem niederschwelligeren Zugang zu Leistungen. Weiters forderte sie Unterstützungsangebote, die den Betroffenen langfristig Hilfe bieten (z.B. Sozialarbeit in den Bundesländern). Ebenso bedürfe es eines Rechtsanspruches auf bestimmte Unterstützungsleistungen (z.B. der persönlichen Assistenz) und neuer Rechtsschutzinstrumente (z.B. für den Übergang von eigenem Wohnen in Betreuungs-und Pflegeeinrichtungen sowie bei medizinischen Angelegenheiten). Der Mut zum Risiko soll außerdem vor Rechtssicherheit stehen, so Gschöpf. „Clearing muss in allen künftigen Sachwalterschaftsverfahren obligatorisch werden. Deshalb ist ein Ausbau der Sachwaltervereine unabdingbar“, resümierte die Bereichsleiterin abschließend.
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Eine Zusammenfassung dieser Enquete findet sich auch auf der Homepage der Volksanwaltschaft.