Fragwürdiger Einsatz von privaten Sicherheitsdiensten auf der Psychiatrie
Immer häufiger werden in Krankenhäusern private Sicherheitsdienste eingesetzt. Auch psychiatrische Stationen sind betroffen – etwa in Wien und Innsbruck. Die Patientenanwaltschaft kritisiert, dass „Securities“ nicht nur zum Gebäude- und Personenschutz, sondern auch zu ganz anderen Aufgaben herangezogen werden – mit bedeutenden Nachteilen für die PatientInnen.
„Wir wissen von Fällen, in denen Mitarbeiter von Sicherheitsdiensten beim Fixieren von PatientInnen und bei der Verabreichung von Zwangsmedikation eingeschritten sind – ein rechtlich inakzeptables Vorgehen“, so Bernhard Rappert, Bereichsleiter der Patientenanwaltschaft Wien bei VertretungsNetz.
Die Patientenanwaltschaft hat in den vergangenen Jahren mehrere höchstgerichtliche Entscheidungen erwirkt, wonach MitarbeiterInnen privater Sicherheitsdienste mangels entsprechender Ausbildung weder befugt noch berechtigt sind, Tätigkeiten des Gesundheits- und Krankenpflegepersonals zu übernehmen. Dies betrifft auf jeden Fall Fixierungen und andere Freiheitsbeschränkungen.
Sicherheitsdienste übernehmen Pflegetätigkeiten
Rappert schildert einen Fall aus der Praxis, der zeigt, wie traumatisierend der Einsatz von Sicherheitsdiensten sein kann. Ein junges Mädchen mit Missbrauchserfahrungen wurde in einer akuten Krise unter Mithilfe von männlichen Sicherheitsmitarbeitern zwangsweise umgekleidet. „Ein unzulässiger Eingriff in die Privatsphäre und ein vom Gesetz her absolut verbotener Verstoß gegen die Menschenwürde“, so der Patientenanwalt. „Dieses Vorgehen hat das Gericht in seiner Entscheidung vom März 2017 für rechtswidrig erklärt“.
Christine Müllner-Lacher, Bereichsleiterin der Patientenanwaltschaft Tirol, kritisiert die Art und Weise, wie eine Patientin von einem Bundesland in ein anderes verlegt wurde: „Die Klinik hat einen Securitydienst-Mitarbeiter zur Bewachung für die zweistündige Fahrt angefordert. An diesen wurde sogar die Überwachung von medizinischen Geräten delegiert.“ Das Gericht erklärte den Einsatz im Mai des Vorjahres für unzulässig. Pflegehandlungen seien dem entsprechend ausgebildeten Personal vorbehalten.
Im Herbst 2017 erwirkte die Patientenanwaltschaft einen weiteren richtungsweisenden OGH-Beschluss: Schon die bloße Anwesenheit von Personen, die nicht zum Stationspersonal gehören, kann PatientInnenenrechte verletzen. In diesem Fall musste sich eine Patientin umziehen, während die (männlichen) Sicherheitsdienstmitarbeiter daneben standen.
Einsätze sind unzulässig
Auch andere PatientInnen in akuten Krisensituationen fühlen sich immer wieder durch die bloße Anwesenheit von uniformierten „Securities“ bedroht oder eingeschüchtert. Eine rasche, gewaltfreie Deeskalation von kritischen Situationen – eigentlich das Ziel – wird so mitunter verhindert oder verzögert. Manchmal führt gerade die Beiziehung der SicherheitsdienstmitarbeiterInnen zu einem erhöhten Gefahrenpotenzial.
Dass den Sicherheitsfirmen unzählige vertrauliche Daten von Patientinnen und Patienten überlassen wurden, und auch dieser Missstand nur durch eine gerichtliche Entscheidung beendet werden konnte, mag weniger dramatisch klingen, zeigt aber das fehlende Rechtsbewusstsein des Krankenhausträgers.
Die vielen Gerichtsentscheidungen zum unzulässigen Einsatz von Sicherheitsdiensten liefern ein eindeutiges Bild. Auch die Volksanwaltschaft mahnte erneut in ihrem letzten Menschenrechtsbericht, dass pflegerische Tätigkeiten nicht ausgelagert werden dürfen. Trotzdem halten die Krankenhausträger in Wien und Tirol am rechtswidrigen Einsatz der „Securities“ fest. Warum eigentlich?
Qualifiziertes Personal kostet – und zahlt sich aus
Die Patientenanwaltschaft vermutet, dass vor allem Kosten gespart werden sollen. Ginge es vorrangig um die Sicherheit von PatientInnen- und MitarbeiterInnen, wie die Klinikleitungen argumentieren, wäre der beste Schutz genügend diplomiertes Fachpersonal, das gut in deeskalativen Verhaltens- und Kommunikationstechniken geschult ist und als Team zusammenarbeitet. Stattdessen übernehmen billigere Arbeitskräfte, die auf Gebäudeschutz spezialisiert sind, Aufgaben, für die sie nicht ausreichend qualifiziert sind.
Auf einer psychiatrischen Abteilung kann es zu Situationen kommen, die für das Personal oder für PatientInnen gefährlich sind. „Ich unterstütze die Forderung des Stationspersonals nach Sicherheit“, betont Bernhard Rappert. „Die Krankenhausträger müssen ihren MitarbeiterInnen aber legale Mittel in die Hand geben, um in heiklen Situationen nicht verletzt zu werden. Mit mehr Personal und zeitgemäßen räumlichen Strukturen wäre auf menschenwürdige Art für Sicherheit gesorgt.“ In fast allen Psychiatrien in Österreich wird dies auch umgesetzt – Wien und Innsbruck sollten nun folgen.
Weitere Informationen
Stellungnahme des Menschenrechtsbeirats zu „Schranken der Befugnisse von privaten Sicherheitsdiensten in psychiatrischen Einrichtungen“
Stellungnahme der Volksanwaltschaft zu Freiheitsbeschränkungen in Krankenhäusern und Psychiatrien