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Norbert Krammer /VertretungsNetz Erwachsenenvertretung
02.07.2020

Soziale Absicherung dringend nötig

Die COVID-Pandemie hat die permanente soziale Notlage von Menschen mit intellektueller oder psychischer Beeinträchtigung noch sichtbarer gemacht, so Norbert Krammer, Bereichsleiter Erwachsenenvertretung, im Rahmen einer Pressekonferenz der Armutskonferenz am 03.07.2020.

Das Einkommen von Menschen mit Behinderungen in Österreich setzt sich aus Arbeit und/oder individuellen Ansprüchen auf Unterhalt, Waisen-, Invaliditäts- bzw. Berufsunfähigkeitspension mit oder ohne Ausgleichszulage zusammen. Wenn keine Pensionsansprüche vorliegen, sind die Betroffenen auf Sozialhilfe angewiesen. Evtl. gibt es einen Anspruch auf eine Ergänzungszahlung durch die Sozialhilfe, auf eine Leistung aus der Arbeitslosenhilfe oder auf erhöhte Familienbeihilfe, Pflegegeld o.ä. Wer in einer „Werkstätte“ tätig ist, erwirbt keinen Anspruch auf Gehalt oder Pensionsversicherung, sondern erhält lediglich ein geringes „Taschengeld“.

Löchriger Leistungs-Fleckerlteppich
Die jeweils verschiedenen Mini-Geldleistungen der einzelnen Länder werden von den Behörden unterschiedlich berechnet und gehandhabt. Vorher bewilligte Beträge für mobile Hilfen und Betreuungen werden u.U. auf den Sozialhilfe-/Mindestsicherungsanspruch angerechnet und abgezogen. Norbert Krammer, Bereichsleiter Erwachsenenvertretung bei VertretungsNetz, kritisiert: „Kaum jemand durchblickt noch diesen Dschungel an Landes- und Bundesgesetzen, die sich zum Teil auch noch widersprechen bzw. nicht verfassungskonform sind. Wir erleben in unserer Vertretungsarbeit darüber hinaus oft willkürliches, unsoziales Vorgehen der Behörden.“

Härtefall psychische Erkrankung
Eine besondere Problematik besteht für Menschen mit psychischen Erkrankungen, z.B. Schizophrenie, zeigt der Experte auf: „Leistungen wie die erhöhte Familienbeihilfe oder einen Pensionsanspruch erhalten sie nicht, wenn der Nachweis einer Erkrankung vor Vollendung einer gewissen Altersgrenze (z.B. 25. Lebensjahr) eingetreten ist. Die im Sozialhilfe-Grundsatzgesetz vorgesehene Zusatzzahlung zur Sozialhilfe („Behindertenbonus“) bleibt ihnen oft verwehrt, weil sie den geforderten Grad der Behinderung von 50 Prozent nicht nachweisen können. Sie werden daher nicht wie sozialstaatlich geplant vom letzten sozialen Netz aufgefangen. Ohne die nötige soziale Absicherung kann sich jedoch ihr Gesundheitszustand nicht stabilisieren.“

VertretungsNetz fordert:

  • Eine bundesweit einheitliche finanzielle Absicherung von Menschen mit Behinderungen im Sinne der UN Behindertenrechtskonvention. Zu dieser Personengruppe zählen Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung, psychischer Erkrankung oder demenzieller Erkrankung. Die Absicherung muss außerhalb des Sozialhilfe-Regimes konzipiert werden.
  • Damit verbunden soll ein eigener sozialversicherungsrechtlicher Anspruch auf Unfall-, Kranken- und Pensionsversicherung sein.
  • Die Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber Kindern mit Behinderungen soll mit dem 25. Lebensjahr begrenzt werden. Damit muss auch die bestehende Verpflichtung enden, dass erwachsene Menschen mit Behinderungen ihre eigenen Eltern auf Unterhalt verklagen müssen.