VertretungsNetz lieferte dem Verfassungsgerichtshof den Anlass zur Aufhebung des Sachleistungszwangs.
Das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz ist nicht nur unsozial, sondern verstößt auch in Teilen gegen die Verfassung. Das bestätigt der Verfassungsgerichtshof mit der Aufhebung von einer weiteren Regelung. Es sei sachlich nicht gerechtfertigt und widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz, wenn in jedem Fall eines erhöhten Wohnbedarfs das Sozialamt selbst einen Teil der Miete an den/die Vermieter:in überweist.
„Wir haben diesen ‚Sachleistungszwang‘ von Anfang an kritisiert. Denn so wird den betroffenen Menschen die Selbstbestimmung über ihre eigenen Finanzen genommen – das steht im Widerspruch zu den Zielen des Erwachsenenschutzrechts“, sagt Peter Schlaffer, Geschäftsführer von VertretungsNetz. Sachleistungen statt Geldleistungen vorzusehen, ist außerdem massiv stigmatisierend.
„Es macht nämlich einen Unterschied, ob ich die Miete von meinem Konto begleichen kann oder ob mein:e Vermieter:in einen Teil davon direkt vom Sozialamt erhält und damit über meine Einkommensverhältnisse Bescheid weiß.“ Ärgerlich ist das doppelgleisige System auch für die Vermieter:innen. Sie bekommen die Miete gesplittet und vom Sozialamt erst im Nachhinein. Diese Doppelgleisigkeit des Systems wird in der Erwachsenenvertretung, die die Einkommensverwaltung ohnehin besorgt, geradezu absurd und steht auch im krassen Widerspruch zu den Vorgaben einer sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Verwaltung.
„Es freut uns, dass der von uns eingebrachte Fall eines Klienten, der in einer Wohngemeinschaft für Menschen mit Behinderungen lebt und auf Mindestsicherung und Mietbeihilfe angewiesen ist, Anlass zur Aufhebung des Sachleistungszwangs gab. Damit muss diese unsägliche Praxis nun gestoppt werden“, so Schlaffer. Eine weitere VfGH-Entscheidung, die VertretungsNetz in Bezug auf die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen unter 25 Jahren im Wiener Mindestsicherungsgesetz angeregt hat, sei derzeit noch ausständig.
Der Gesetzgeber muss, wie der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung sehr klar formuliert hat, "sicherstellen, dass das von ihm eingerichtete System der Sozialhilfe seinen eigenen Zweck – die Vermeidung und Bekämpfung sozialer Notlagen bei hilfsbedürftigen Personen – erfüllt". VertretungsNetz begrüßt, dass das Sozialministerium nun angekündigt hat, das schlechte Gesetz grundsätzlich zu überdenken.
Übrigens: Wären soziale Grundrechte wie etwa auf soziale Sicherheit, Pflege und Wohnen schon 2019 Teil der Verfassung gewesen, hätte die Sozialhilfereform niemals so umgesetzt werden können. „Es ist allerhöchste Zeit, der sozialen Sicherheit Grundrechtsschutz in der österreichischen Verfassung zu geben“, so Schlaffer abschließend.