Philipp Martinak, Bereichsleiter Erwachsenenvertretung, im Interview über hohe Zusatzkosten, die Bewohner:innen verrechnet werden.
Die Heimverträge in Kärnten passen in vielfacher Hinsicht nicht. Zum einen entspricht ein großer Teil der Klauseln nicht dem Konsumentenschutzgesetz. Sie sind unzulässig, vor allem was die Transparenz betrifft. Z.B. sind die Kosten für einen Heimpflegeplatz davon abhängig, was die Betreiber jedes Jahr mit dem Land Kärnten ausverhandeln. Es werden Kautionen verlangt, die viel zu hoch sind oder in den Verträgen stehen Vorgaben, die unklar lassen, was passiert, wenn die Bewohner:innen sie nicht einhalten, z.B. sollen sie angeben müssen, wenn sie ortsabwesend sind oder wie hoch ihr Vermögen ist. Abseits vom Konsumentenschutz gibt es einen großen Graubereich, vor allem in Bezug auf die Frage, welche Zusatzkosten verrechnet werden dürfen .
Die Landesgesetze sind in Kärnten, was den Sozialbereich betrifft, ungenau ausgestaltet. Sie regeln einfach vieles nicht per Verordnung, im Unterschied z.B. zur Steiermark. Dadurch ist oft nicht klar, was vom Land bereits bezahlt wird und für welche Dinge die Bewohner:innen selbst aufkommen müssen. Das wiederum eröffnet den Heimbetreibern die Möglichkeit, laufend neue Zusatzgebühren zu erfinden und vertraglich festzulegen. Es gibt z.B. Einzelzimmerzuschläge, die drastisch erhöht werden und bis zu 700 Euro betragen können. Verwaltungsgebühren werden verlangt, ein zusätzlicher Betrag für Inkontinenzeinlagen oder für die Wäsche eingehoben.
Wir haben schon ganz seltsame Klauseln gesehen: z.B. eine eigene Gebühr, wenn das Essen aufs Zimmer getragen wird. Oder es wurden Freizeitaktivitäten pauschal verrechnet, auch wenn einzelne Bewohner:innen gar nicht daran teilgenommen haben. Mittlerweile wundert mich gar nichts mehr. Letztlich wurde einer Klientin ein Balkon im Zimmer extra verrechnet. Besonders dreist ist auch, wenn Elektrogeräte wie Fernseher zu weit überhöhten Preisen gemietet werden müssen.
Wir haben über die letzten Jahre mehrere Abmahnverfahren über den Verein für Konsumenteninformation (VKI) angeregt, zuletzt über die Arbeiterkammer. Von den Klauseln der Verträge sind ca. die Hälfte als unzulässig erklärt worden, Da blieb oft nur mehr das Gerüst vom Heimvertrag übrig.
Auch wenn es sich meist nur um kleine zusätzliche Beträge handelt: Viele der Bewohner:innen spüren jeden Euro, der ihnen fehlt. Zudem ist empörend, dass man Menschen, die überfordert und oft schon kognitiv beeinträchtigt sind, Vertragswerke vorlegt, von denen man ganz genau weiß, dass viele Klauseln gerichtlich nicht Stand halten.
Der Hintergrund ist, dass Heimplätze in Kärnten extrem knapp sind. Pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen haben oft nicht die Kraft, Heimverträge zu beeinspruchen, weil sie so unter Druck stehen. Seitens einiger Heimbetreiber wird auch schon mal gedroht, Bewohner:innen auf die Straße zu setzen, wenn Auflagen nicht akzeptiert werden. Oder eine Erwachsenenvertretung wird zur Bedingung für einen Heimplatz gemacht, unabhängig davon, ob Bewohner:innen noch selbst entscheiden können. Man hört sogar, dass schon für einen Wartelistenplatz bezahlt werden muss. Die Situation wird immer prekärer. Es gibt Menschen, die liegen seit 100 Tagen austherapiert im Krankenhaus, weil kein Pflegeplatz zu finden ist.
Ja, zum Teil wird verlangt, dass Verwandte alle möglichen Haftungen übernehmen müssen, wenn sie den Vertrag mitunterschreiben. Oder Erwachsenenvertreter:innen sollen sich verpflichten, bei Heimeintritt dafür zu sorgen, dass 80 % der Pension am Konto behalten werden, damit die Kosten für das Heim abgedeckt sind. Das ist auch unzulässig.
VertretungsNetz hält als Verein derartigem Druck natürlich besser Stand als Privatpersonen. Wir haben z.B. jahrelang neue Verträge für Klient:innen nicht unterschrieben, weil sie nachteiliger gewesen wären. Für Einzelpersonen kann man oft was erreichen, wenn man gut verhandelt. Aber es geht darum, dass das Grundproblem der fehlenden Regeln für alle betroffenen Menschen gelöst wird. Wir werden weiter hartnäckig sein.