Die Politik mancher Behörden und Banken diskriminiert Menschen mit intellektueller oder psychischer Beeinträchtigung.
Anlässlich des Europäischen Protesttags zur Inklusion am 5. Mai warnt VertretungsNetz: Behörden und Banken missachten die Rechte von Menschen mit intellektueller oder psychischer Beeinträchtigung. Und das, obwohl sich Österreich vor 15 Jahren durch die UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet hat, die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten.
Doch die Barrieren sind für diese Bevölkerungsgruppe geblieben. „Wir erleben immer wieder in unserer Vertretungspraxis, dass Menschen mit intellektueller oder psychischer Beeinträchtigung weiterhin in vielen Lebensbereichen diskriminiert werden“, berichtet Martin Marlovits, stv. Fachbereichsleiter Erwachsenenvertretung bei VertretungsNetz.
Besonders brisant: Wenn die Bundesländer die eigene Verpflichtung untergraben und Menschen mit Beeinträchtigungen kein selbstbestimmtes Leben ermöglichen. „Um auf die Warteliste für einen Pflegeplatz zu kommen, verlangen Einrichtungen und Behörden in manchen Bundesländern, dass vorab schon eine (gesetzliche) Erwachsenenvertretung für die betroffene Person errichtet wird – ohne den Menschen jemals gesehen zu haben. Das macht man, um Abläufe zu vereinfachen und um sich nicht mit den älteren Menschen selbst auseinandersetzen zu müssen“, zeigt sich Marlovits entsetzt über das Vorgehen. Konkret in Oberösterreich, aber auch in anderen Bundesländern, wird in letzter Zeit sehr viel Druck auf verzweifelte Angehörige ausgeübt. Sich offiziell zu beschweren, trauen sich diese meist nicht. Die Angst ist zu groß, den dringend benötigten Heimplatz nicht zu bekommen. „Es kommt einer Entmündigung gleich, eine Erwachsenenvertretung zu errichten, obwohl die betroffene Person entscheidungsfähig ist“, stellt Marlovits klar.
Menschen mit intellektueller oder psychischer Beeinträchtigung wird oft pauschal die Fähigkeit auf Selbstbestimmung abgesprochen. Das geschieht häufig auch im Bankensektor. Dabei haben die österreichischen Banken sich im sogenannten „Konsenspapier: Bankgeschäfte und Erwachsenenschutz“ verpflichtet, Menschen mit Erwachsenenvertretung nicht vom Zahlungsverkehr auszuschließen. Die Realität zeigt jedoch ein anderes Bild: Sowohl im städtischen als auch im ländlichen Bereich werden immer mehr Filialen geschlossen. Wo es noch Filialen gibt, treffen die Kund:innen auf zu wenig Personal und müssen mit den Bankautomaten in den Foyers zurechtkommen. Benötigt jemand Unterstützung, ist dies mit zusätzlichen Kosten verbunden. „Geschlossene Filialen oder fehlende Hilfestellung hindern Personen mit einer Beeinträchtigung, selbstständig ihren Zahlungsverkehr zu regeln. Sie werden zu Bittsteller:innen degradiert“, erklärt Marlovits die Misere. Noch schlimmer: „Wir wissen von Banken, die Menschen mit Erwachsenenvertretung Auskunft und Bankenservice für das eigene Konto verwehren, sobald sie von der Vertretung erfahren. Die Diskriminierung geht sogar so weit, dass das Recht auf ein eigenes Konto verwehrt wird, wenn eine Erwachsenenvertretung besteht.“
Dabei wurde mit dem 2. Erwachsenenschutzgesetz klargestellt, dass die Entscheidungsfähigkeit auch im Falle einer Vertretung grundsätzlich erhalten bleibt. „Erwachsenenvertreter:innen vertreten nur in bestimmten Lebensbereichen und nur, wenn es unvermeidlich ist. Die Selbstbestimmung hat dabei immer oberste Priorität. Jeder Mensch soll nach seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen sein Leben gestalten können“, hält Marlovits fest.
Aber die Unterstützung von Seiten des Bundes, der Länder und Gemeinden fehlt großteils: Flächendeckende Angebote wie betreutes Konto, freiwillige Einkommensverwaltung oder die Begleitung bei (Behörden-)Terminen werden nicht gefördert. „Länder und Gemeinden lehnen ihre Verantwortung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in vielen Bereichen weiterhin ab – insbesondere dann, wenn der Prozess mit Kosten verbunden ist. Dabei sind Leistungen, die Unterstützung und persönlichen Assistenz sichern, die geeigneten Maßnahmen, um viele Erwachsenenvertretungen aufzulösen oder gar nicht erst zu errichten“, weiß Martin Marlovits.