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Großaufnahme von Händen, die eine Geldbörse öffnen, um die Münzen darin zählen

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21.09.2023

VertretungsNetz: Sozialhilfe-Gesetz im Burgenland wird Armut verschlimmern

Landesregierung plant, Sozialhilfe-Grundsatzgesetz noch schärfer umzusetzen als nötig

Erst kürzlich hat der Fachausschuss der Vereinten Nationen ein beschämendes Fazit über den Stand der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich gezogen. Insbesondere die Bundesländer sind säumig, z.B. bei Artikel 28, wo „angemessener Lebensstandard und sozialer Schutz“ als Basis für die Teilhabe an der Gesellschaft normiert wird. Wie wenig man internationale Verpflichtungen ernst nimmt, zeigt das Burgenland nun mit dem Entwurf eines neuen Sozialhilfegesetzes.

Das "burgenländische Sozialunterstützungsgesetz" soll noch restriktiver werden als das bundesweite Rahmengesetz, das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz. „Armutsbetroffene Menschen werden massiv belastet, umso mehr wenn sie aufgrund von Behinderungen oder psychischen Erkrankungen als ‚selbsterhaltungsunfähig‘ gelten. Wir warnen wirklich davor, das Gesetz in dieser Form umzusetzen, der Lebensunterhalt wird nicht ausreichend abgesichert“, ist Delia Jagersberger besorgt. Sie ist bei VertretungsNetz als Bereichsleiterin Erwachsenenvertretung für das Burgenland zuständig.  

Wohnen oder Essen?

Beispiel Wohnen: Der für das Wohnen gedachte Anteil aus der Sozialhilfe deckt meist nicht die gesamte Miete ab, denn eine Wohnkostenpauschale ist nicht vorgesehen – obwohl das Rahmengesetz die Möglichkeit dafür böte. Die Wohnbeihilfe, eine weitere Leistung des Landes, soll Menschen mit niedrigem Einkommen eigentlich leistbares Wohnen ermöglichen. Die Wohnbeihilfe wird aber nach Vorgabe des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes zur Gänze als Einkommen in den Richtsatz der Sozialhilfe eingerechnet – und damit abgezogen. „Der Anteil aus der Sozialhilfe, der für das Wohnen gedacht ist, reicht ohne Wohnbeihilfe nicht aus, um die massiv steigenden Mieten zu bezahlen. Viele der von uns vertretenen Menschen müssen daher jetzt schon beim Lebensunterhalt sparen, z.B. beim Essen oder bei Hygieneprodukten“, schildert Jagersberger die prekäre Situation. Mit einer Wohnkostenpauschale hätte man dies abfedern können.

Auch Sonderzahlungen aus einem (Mindest-)Pensionsbezug werden einkassiert, also Weihnachts- und Urlaubszahlungen z.B. für Personen, die eine Halbwaisenpension beziehen, obwohl dies das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz gar nicht vorschreibt. Defacto ist das eine massive Kürzung und wird die Betroffenen schwer treffen.

Kein Zuschlag bei Behinderungen

Das Land Burgenland beabsichtigt auch, Leistungen, die aufgrund landesgesetzlicher Bestimmungen bezogen werden, mit dem „Zuschlag für Menschen mit Behinderungen“ gegenzuverrechnen. Damit wird der im Sozialhilfegrundsatzgesetz anerkannte Sonderbedarf von Menschen mit Behinderung im Ergebnis wieder aberkannt. Eine vergleichsweise nachteilige Regelung existiert derzeit nur in Oberösterreich, wo der Zuschlag für Menschen mit Behinderungen de facto nie ausbezahlt wird, wie die Praxis zeigt.

Wie penibel im Burgenland bei armutsbetroffenen Menschen auf Cent genau abkassiert wird, zeigt sich daran, dass sogar das Mittagessen, das Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen im Rahmen einer teilstationären Betreuung erhalten, als Sachbezug von der Sozialhilfe abgezogen wird.

Die eigenen Eltern klagen müssen

Erwachsene Menschen mit Behinderungen, die als ‚selbsterhaltungsunfähig‘ gelten und deshalb bei ihren Eltern leben, werden sogar gänzlich von der Sozialhilfeleistung ausgeschlossen und müssen im schlimmsten Fall von der Mindestpension der Angehörigen „mitleben“.

Wie in den meisten anderen Bundesländern auch, besteht im Burgenland weiterhin die strenge Praxis, dass längst volljährige Menschen mit Behinderungen ihre eigenen Eltern auf Unterhalt verklagen müssen, sonst wird ein Teil der Sozialhilfe, oft mehrere hundert Euro, abgezogen. „Ihre Eltern werden lebenslang, noch im Pensionsalter und auch dann, wenn sie selbst betreuungs- und pflegebedürftig sind, zur Kasse gebeten. Familienbeziehungen werden damit in vielen Fällen massiv belastet“, kritisiert Jagersberger.

Alleinerziehende besonders betroffen

Das Sozialhilfegrundsatzgesetz ermöglicht eigentlich auch einen Zuschlag für Alleinerziehende. Das Land Burgenland gewährt diesen Zuschlag jedoch nicht. Begründet wird das damit, dass dafür der Kinderhöchstsatz von 19,2 % auf 23 % erhöht wurde. Verglichen mit anderen Bundesländern ist dieser Wert jedoch nicht sehr hoch, in Wien werden beispielsweise 27 %, in Vorarlberg sogar 32 % gewährt.

Außerdem definiert das Burgenland als alleinerziehend, wer mit zumindest einem minderjährigen Kind, für das Familienbeihilfe bezogen wird, eine Haushalts­gemeinschaft bildet. Es darf keine weitere volljährige Person im Haushalt leben, obwohl dies nach dem Sozialhilfe-Grundsatzgesetz möglich wäre. Die restriktive Umsetzung sieht im volljährigen, selbsterhaltungsfähigen Kind ab dem 18. Geburtstag einen gleichwertigen Partner und kürzt den Höchstsatz der alleinerziehenden Person um 30 %.

VertretungsNetz fordert, dass das Burgenland seiner Verantwortung gerecht wird, Armut wirksam zu bekämpfen und die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an der Gesellschaft sicherzustellen, auch mit ausreichend finanziellen Mitteln. Denn Inklusion ist ohne tragfähiges soziales Netz nicht zu haben.

Link: 
Stellungnahme VertretungsNetz zum burgenländischen Sozialunterstützungsgesetz , September 2023