Der Erwachsenenschutzverein sichert auch die Grundrechte von Kindern und Jugendlichen.
Das „Netzwerk Kinderrechte“ ist ein unabhängiges Netzwerk aus 49 österreichischen Organisationen, die in der Betreuung von Kindern und Jugendlichen oder in der Sicherung ihrer Rechte engagiert sind. Übergreifendes Ziel ist die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Österreich. Doch was hat ein Erwachsenenschutzverein damit zu tun? Mehr als man glaubt:
Schon seit 1991 vertritt die Patientenanwaltschaft bei VertretungsNetz Kinder und Jugendliche, wenn sie in einem Krankenhaus aufgrund einer psychischen Erkrankung zwangsweise an einer psychiatrischen Abteilung aufgenommen werden müssen. Der zuständige Patientenanwalt/die Patientenanwältin besucht die PatientInnen, klärt sie über ihre Rechte auf und vertritt sie im gerichtlichen Verfahren, in dem entschieden wird, ob sie weiterhin im Krankenhaus bleiben müssen.
Seit der Novelle des Heimaufenthaltsgesetzes 2018 ist die Bewohnervertretung von VertretungsNetz auch für die Überprüfung freiheitsbeschränkender Maßnahmen an Kindern und Jugendlichen zuständig, die in Wohneinrichtungen leben oder eine Sonderschule besuchen. Beide Fachbereiche setzen sich vor allem für das Grundrecht von Kindern und Jugendlichen auf persönliche Freiheit ein. Damit im Zusammenhang steht auch das Recht auf ein gesundes Leben und ausreichende medizinische Versorgung.
Psychiatrische Versorgung unzureichend
Seit Jahren kritisiert die Patientenanwaltschaft etwa die Unterversorgung im kinder- und jugendpsychiatrischen Bereich. Die COVID-Pandemie hat die prekäre Situation noch verschärft. „Im Jahr 2021 haben wir rund 2.600 zwangsweise Unterbringungen von unter 18-Jährigen verzeichnet. Das ist ein Anstieg von 30 % im Vergleich zum Ausnahmejahr 2020, und eine Steigerung von knapp 15 % gegenüber 2019“, schildert Bernhard Rappert, Fachbereichsleiter Patientenanwaltschaft bei VertretungsNetz drastische Zahlen.
Artikel 24 der Kinderrechtskonvention formuliert das Recht auf höchstmöglichen Standard in der Gesundheitsfürsorge. Und doch gibt es im niedergelassenen Bereich zu wenig Kassenstellen für Minderjährige, die dringend eine Behandlung bräuchten. Die langen Wartezeiten auf eine Therapie führen zu (an sich vermeidbaren) Aufenthalten im Krankenhaus. Dort wiederum fehlt es an Betten auf der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Das führt dazu, dass Jugendliche oft zu schnell entlassen oder auf der Erwachsenenpsychiatrie untergebracht werden müssen, ohne altersadäquate Betreuung oder pädagogisches Angebot. Dabei sagt Artikel 37 der Kinderrechtskonvention ganz klar, dass Kinder und Jugendliche, denen die Freiheit entzogen wurde, getrennt von Erwachsenen untergebracht werden sollen.
Zwang an Kindern als hochsensibler Bereich
Der Entzug der persönlichen Freiheit ist auch Kernthema der Bewohnervertretung. Insgesamt waren im Jahr 2021 rund 6.500 Freiheitsbeschränkungen an rund 2.260 Minderjährigen aufrecht. Kinder und Jugendliche werden beispielsweise in Akutsituationen bzw. bei Impulsdurchbrüchen von BetreuerInnen gegen ihren Willen an Armen oder Beinen festgehalten bzw. am Boden liegend fixiert, manchmal auch für mehrere Stunden.
Viele erhalten auch Medikamente wie etwa starke Beruhigungsmittel. „Oft werden sie auch verabreicht, um herausforderndes Verhalten des Kindes zu reduzieren. Massive Dauermedikation in hoher Dosierung ist leider oft gängige Praxis“, schildert Susanne Jaquemar, Fachbereichsleiterin Bewohnervertretung.
In vielen Situationen könnten statt der Freiheitsbeschränkungen Alternativen oder gelindere Maßnahmen zum Einsatz kommen. Wirkungsvoll und effizient sind z.B. individuelle Krisenkonzepte, die bereits im Vorfeld das Auftreten von Impulsdurchbrüchen merkbar verringern könnten. Wichtig ist dabei, dass diese konsequent umgesetzt werden.
„Manche Maßnahmen lassen wir auch gerichtlich überprüfen, um zu klären, ob die Freiheitsbeschränkung wirklich das letztmögliche Mittel (ultima ratio) ist. Immerhin geht es um Zwang an Kindern – ein hochsensibler Bereich“, so Jaquemar. „Bei vielen Kindern und Jugendlichen konnten die Sachverständigen Alternativen vorschlagen, die nach Umsetzung zu einer erheblichen Verbesserung der Lebenssituation geführt hat.“
Beide FachbereichsleiterInnen freuen sich, die rechtliche Expertise und die Erfahrungen von VertretungsNetz von nun an in das Netzwerk Kinderrechte einzubringen. Der regelmäßige Austausch mit einer Vielzahl von Organisationen wird dabei helfen, wichtige Rechtsentwicklungen anzustoßen und die Rechte von Kindern und Jugendlichen in Österreich besser zu verankern. Das nächste große Ziel des Netzwerks ist bereits anvisiert: ein unabhängiges, wirkungsvolles Monitoring zur Umsetzung der Kinderrechte in Österreich.
Link:
Netzwerk Kinderrechte