Ein Pflegeheim-Besuch veranlasst die ehrenamtliche Erwachsenenvertreterin, Lisa B., dazu, für die Selbstbestimmung ihres Klienten einzutreten.
Eigentlich sollte es einer ihrer monatlichen Routinebesuche bei Herrn H., dem Klienten der ehrenamtlichen Erwachsenenvertreterin bei VertretungsNetz, Lisa B., werden. Doch die veränderte Lebenssituation von Herrn H. in einem niederösterreichischen Pflegeheim ließ sie aktiv werden.
Herr H. ist ein älterer Herr, der aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen in einem Pflegeheim lebt und auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Dieser Rollstuhl ist jedoch nicht nur sein Fortbewegungsmittel, sondern auch sein Schlüssel zur Teilhabe am Leben im Heim. Doch als Herr H. eines Tages einen neuen Rollstuhl erhielt, verschlechterte sich seine Situation drastisch. Der neue, massive Rollstuhl, der aus pflegerischer Sicht mehr Sicherheit für den Mann bieten sollte, stellte sich für Herrn H. als erhebliche Einschränkung heraus. Während er mit seinem alten Rollstuhl zumindest im Schneckentempo eigenständig die Wege im Heim entlang rollte, konnte er den neuen Rollstuhl aufgrund seiner Größe und Bauart überhaupt nicht mehr selbst bewegen. Er war plötzlich vollständig auf die Hilfe anderer angewiesen. „Das konnte ich so nicht hinnehmen“, erinnert sich die ehrenamtliche Erwachsenenvertreterin. „Als ich sah, wie sehr Herr H. unter seiner Situation litt, beschloss ich, dass wir gemeinsam nach einer Lösung suchen müssen.“
Herr H. wünschte sich einen elektrischen Rollstuhl. Doch das Pflegepersonal im Heim war skeptisch. Sie befürchteten, dass der Mann den Rollstuhl aufgrund seiner eingeschränkten Motorik nicht sicher bedienen könne. Aber Lisa B. ließ sich nicht entmutigen. „Ich bin ein wenig stur“, gesteht sie mit einem Lächeln. „Ich wollte die Bedenken des Pflegepersonals nicht einfach akzeptieren, ohne selbst auszutesten, ob ein elektrischer Rollstuhl vielleicht doch eine Option für Herrn H. sein könnte.“
Also organisierte die ehrenamtliche Erwachsenenvertreterin kurzerhand ein behindertengerechtes Taxi und fuhr mit ihrem Klienten nach Wien zu einer Firma, die elektrische Rollstühle anbietet. Gemeinsam testeten sie verschiedene Modelle. Doch schon bald zeigte sich, dass die Bedenken des Pflegepersonals berechtigt waren. „Die Rollstühle waren wirklich schnell und man konnte die Geschwindigkeit nicht ausreichend drosseln. Herr H. konnte den Rollstuhl tatsächlich nicht sicher bedienen“, berichtet Lisa B.
Obwohl die beiden ohne einen neuen Rollstuhl zurück ins Heim kehrten, war der Ausflug entscheidend für ihren Klienten: „Der wichtigste Punkt war, dass Herr H. selbst erfahren konnte, dass der elektrische Rollstuhl nichts für ihn ist. Diese Erkenntnis kam nicht von außen, sondern er entschied selbst. Das war unglaublich wichtig für seine Selbstbestimmung“, betont Lisa B. Seitdem war der Wunsch nach einem elektrischen Rollstuhl für Herrn H. kein Thema mehr.
Doch damit endete der Einsatz der ehrenamtlichen Erwachsenenvertreterin nicht. Sie suchte weiter nach einer Lösung, die Herrn H. zu seiner früheren Bewegungsfreiheit im Heim verhalf. Nach intensiver Recherche fand sie einen speziellen Gurt, den Herr H. selbst öffnen konnte. Sie einigte sich mit dem Pflegepersonal darauf, dass Herr H. diesen Gurt nutzen dürfe, um zumindest hin und wieder in seinem alten Rollstuhl sitzen zu können, ohne dass seine Sicherheit gefährdet wäre. „Mein Klient ist mit dieser Lösung zufrieden, weil er so wieder etwas Bewegungsspielraum bekommen hat“, sagt Lisa B. zufrieden.
Doch warum geht Lisa B. weit über das hinaus, was in ihren „Pflichtstunden“ als ehrenamtliche Erwachsenenvertreterin gefordert wird? „Weil es einfach wichtig ist“, sagt sie mit Nachdruck. „Menschen, die im Heim leben, haben schon einen großen Teil ihrer Selbstbestimmung aufgegeben. Es ist unerlässlich für ihre Menschenwürde, dass ihre Wünsche gehört und ernstgenommen werden. Dieses Interesse am Menschen, dieses Herzblut – das braucht es in der Arbeit als ehrenamtliche Erwachsenenvertreterin. Es geht immerhin um Menschlichkeit und Würde.“