Auch Kinder und Jugendliche können psychisch schwer erkranken. Auslöser für einen emotionalen Ausnahmezustand gibt es viele: Die Eltern trennen sich, oder ein naher Angehöriger stirbt, Mobbing oder Gewalterfahrungen, Liebeskummer. Jede Familie kann betroffen sein – quer durch alle sozialen Schichten. Die Pandemie hat die Situation für Jugendliche verschärft. Sie leiden besonders unter den Einschränkungen. Die Anzahl der Jugendlichen mit Suizidgedanken hat laut Kinder- und JugendpsychiaterInnen seither stark zugenommen. Niedergelassene Fachärzte und -ärztinnen sowie kinderpsychiatrische Abteilungen an Krankenhäusern bieten die nötigen Strukturen, um aus einer solchen Krise herauszufinden: u.a. spezialisiertes Pflegepersonal, pädagogische Begleitung und altersspezifische Therapieangebote.
Der Mangel an Kassenplätzen bei niedergelassenen Kinder- und JugendpsychiaterInnen führt dazu, dass viele Familien erst sehr spät professionelle Unterstützung suchen und bekommen. Immer wieder führt dieser Mangel im niedergelassenen Bereich zu an sich vermeidbaren Psychiatrieaufenthalten.
Der stationären Kinder- und Jugendpsychiatrie fehlt es vielerorts an ausreichend Betten. Besonders dramatisch ist die Situation in der Bundeshauptstadt, wo nach Schätzungen von ExpertInnen etwa 191 Betten zur Verfügung stehen müssten. Dass es in etwa nur die Hälfte ist, zeigt, welch großer Bedarf nach einem angemessenen Ausbau besteht.
Die Anzahl der Unterbringungen von Minderjährigen im Zuständigkeitsgebiet von VertretungsNetz (ganz Österreich außer Vorarlberg) ist seit der Covid-Pandemie massiv um knapp 20% auf 2.673 angestiegen. Gleichzeitig sinkt die durchschnittliche Unterbringungsdauer – und zwar teilweise sehr deutlich. Wieder sticht vor allem Wien in den Auswertungen hervor. Während die Unterbringungsdauer von Kindern und Jugendlichen dort in nur einem Jahr von 12,1 Tagen (2022) auf 7,4 Tage (2023) gesunken ist, hat sich der Anteil jener jungen Patient:innen, die im Lauf eines Kalenderjahres fünfmal oder sogar öfter untergebracht waren, um knapp 27 % erhöht.
Diese besorgniserregenden Zahlen entsprechen auch unserem Eindruck aus der Vertretungspraxis: Viele Jugendliche verlassen nicht ausreichend stabilisiert das Spital, weil Betten und Personal für sie fehlen. Oft kehren sie in ein Betreuungsumfeld zurück, das ebenfalls überlastet ist, sodass es immer wieder zu erneuten Aufnahmen kommt. Auf diese Weise nimmt man den jungen Menschen aber die Chance, gestärkt aus einer psychischen Krisensituation herauszukommen.
Dazu kommt der notorische Personalmangel an kinderpsychiatrischen Stationen. Im Extremfall führt dies dazu, dass Stationen geschlossen bleiben müssen, weil die nötigen KinderpsychiaterInnen fehlen. ÄrztInnen berichten, dass sie „an der Grenze der Belastung“ arbeiten und dass spezialisierte MedizinerInnen sich zunehmend „attraktivere Arbeitsplätze“ suchen würden.
VertretungsNetz fordert einen weiteren Ausbau der kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgungsstruktur. Kein Kind soll das Krankenhaus verlassen müssen, wenn es noch nicht ausreichend stabilisiert ist. Genauso wichtig ist es, ambulante außerstationäre Behandlungsmöglichkeiten für Kinder und Erwachsene in psychischen Krisensituationen zu schaffen, denn oft muss es erst gar nicht zu einer Unterbringung im Krankenhaus kommen. Unerlässlich sind in jedem Fall attraktivere Arbeitsbedingungen für das ärztliche Personal an psychiatrischen Abteilungen, um dem akuten Mangel entgegenzuwirken.