VertretungsNetz übt scharfe Kritik an diskriminierender Geschäftspolitik der bank99.
Seit Inkrafttreten des 2.Erwachsenenschutzgesetzes vor fünf Jahren bleiben auch Menschen, die eine Erwachsenenvertretung haben, grundsätzlich geschäftsfähig. Erwachsenenvertreter:innen sind sogar verpflichtet, nach Möglichkeit dafür zu sorgen, dass Betroffene ein eigenes Bankkonto erhalten, damit sie selbstständig Geld für Alltagsgeschäfte beheben können. Niemand soll als Bittsteller:in auf Barauszahlungen angewiesen sein.
Im sogenannten „Konsenspapier: Bankgeschäfte und Erwachsenenschutz“ des Bundesministeriums für Justiz haben sich auch die österreichischen Banken verpflichtet, Menschen mit einer Erwachsenenvertretung nicht vom Zahlungsverkehr auszuschließen. Das gängige Angebot ist ein sogenanntes „Alltagskonto“, ein Konto mit Bankomatkarte, aber ohne Überziehungsrahmen. Der:die Erwachsenenvertreter:in überweist in der Regel wiederkehrend Beträge, über die Klient:innen dann frei verfügen können.
Leider ist jedoch bei der bank99 kein solches „Alltagskonto“ möglich, Menschen mit Erwachsenenvertretung werden dort sogar offen diskriminiert: „Wir vertreten mehrere Personen, denen die bank99 sofort, nachdem sie Kenntnis über die Bestellung einer Erwachsenenvertretung hatte, das Konto und alle Karten gesperrt hat, sogar Barauszahlungen am Schalter wurden verweigert. Auch Online-Banking war nicht mehr möglich. Die Betroffenen hatten damit auf einen Schlag keinen Zugang mehr zu ihrem eigenen Geld. Das ist ungeheuerlich und eine klare Form der Diskriminierung aufgrund einer Behinderung“, kritisiert Martin Marlovits, stv. Fachbereichsleiter Erwachsenenvertretung bei VertretungsNetz. Einem Klienten musste VertretungsNetz sogar Geld vorstrecken, weil er sich sonst nichts zu essen hätte kaufen können – obwohl das Konto stets gedeckt war.
Wer eine Erwachsenenvertretung hat, kann bei der bank99 kein Konto neu eröffnen und das bisherige Konto nicht behalten. Das hat die Rechtsabteilung der bank99 VertretungsNetz schriftlich mitgeteilt. „Nach unserer Rechtsansicht verletzt das Unternehmen damit gleich mehrere Gesetze“, so Marlovits. § 22 des Verbraucherzahlungskontogesetzes schreibt etwa vor, dass Menschen nicht aufgrund einer Behinderung ausgeschlossen werden dürfen, ein Zahlungskonto zu eröffnen. Auch das Behindertengleichstellungsgesetz und die UN-Behindertenrechtskonvention setzen eindeutige Vorgaben.
„VertretungsNetz appelliert nun schon seit fast zwei Jahren an die bank99, ihre Geschäftspraxis an die der anderen österreichischen Banken anzugleichen – leider bislang ohne Erfolg“, berichtet Marlovits. Die Bank verweist auf „technische und strukturelle Gründe“ und „bedauert“.
Besonders bitter: Die bank99 ist als Post-Tochterunternehmen eine der wenigen Banken mit einem dichten Filialnetz in ganz Österreich. Im ländlichen Raum ist sie in manchen Orten die einzige Bank-Filiale. Menschen mit Erwachsenenvertretung, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, werden auf diese Weise ganz von Bankgeschäften ausgeschlossen. Wenn es nicht anders geht, müssen Erwachsenenvertreter:innen Geldbeträge per Postsendung an Betroffene schicken. Das ist nicht nur extrem aufwändig, sondern mit ca. 12 Euro pro Kuvert auch sehr teuer.
Generell wird es für ältere Menschen und Menschen mit intellektuellen oder psychosozialen Beeinträchtigungen schwieriger, ihre Bankgeschäfte selbst zu besorgen. Immer mehr Filialen schließen und in bestehenden Niederlassungen findet sich oft keine persönliche Unterstützung durch Bankangestellte, z.B. für die Bedienung von Automaten im Foyer. Sofern es Schalterdienste gibt, werden für jede Aktion zusätzliche Kosten in Rechnung gestellt. „Für viele ist Online Banking zu hochschwellig, sie sind mit den technischen Abläufen überfordert oder besitzen schlicht kein Smartphone. Es braucht barrierefreie Alternativen, die eine echte Teilhabe aller Menschen und ein unabhängiges Leben in der Gemeinschaft im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention ermöglichen“, fordert Marlovits mehr Inklusion in diesem Bereich ein.